Montag, November 26, 2007

CHStPO: Kommentar zu Art. 31 und 32

Art. 31 Gerichtsstand des Tatortes
1 Für die Verfolgung und Beurteilung einer Straftat sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem die Tat verübt worden ist. Liegt nur der Ort, an dem der Erfolg der Straftat eingetreten ist, in der Schweiz, so sind die Behörden dieses Ortes zuständig.
2 Ist die Straftat an mehreren Orten verübt worden oder ist der Erfolg an mehreren Orten eingetreten, so sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen
vorgenommen worden sind.
3 Hat eine beschuldigte Person am selben Ort mehrere Verbrechen, Vergehen oder Übertretungen verübt, so werden die Verfahren vereint.

Art. 32 Gerichtsstand bei Straftaten im Ausland oder ungewissem Tatort
1 Ist eine Straftat im Ausland verübt worden oder kann der Tatort nicht ermittelt werden, so sind für die Verfolgung und Beurteilung die Behörden des Ortes zuständig, an dem die beschuldigte Person ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.
2 Hat die beschuldigte Person weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz, so sind die Behörden des Heimatortes zuständig; fehlt auch ein Heimatort, so sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem die beschuldigte Person angetroffen worden ist.
3 Fehlt ein Gerichtsstand nach den Absätzen 1 und 2, so sind die Behörden des Kantons zuständig, der die Auslieferung verlangt hat.


Art. 31 statuiert den Grundsatz, dass Straftaten am Begehungsort zu verfolgen sind (forum delicti commissi). Im Wesentlichen wird, mit Ausnahme von ein paar redaktionellen Abweichungen, der heutige Art. 340 des StGB übernommen.

Abs. 1 Satz 1 bezieht sich auf den Tatort bei sog. Tätigkeitsdelikten sowie bei Erfolgsdelikten. Ob bei den letzteren auf die Tathandlung i.e.S. oder das Eintreten des Erfolges abzustellen ist, bestimmt sich im Einzelfall nach dem jeweiligen Tatbestand. So ist etwa beim Betrug auf die letzte und entscheidende Ausführungshandlung abzustellen: BGE 115 IV 272.

Abs. 1 Satz 2 behandelt den Fall, wo bei einem Erfolgsdelikt lediglich der Erfolg in der Schweiz eingetreten ist, währenddem die zum Erfolg führenden Ausführungshandlungen im Ausland begangen wurden. In diesem Fall bildet der Erfolgseintritt in der Schweiz in jedem Fall einen selbständigen Anknüpfungspunkt für den Gerichtsstand. Im Gegensatz zu Art. 340 StGB erwähnt Art. 31 CHStPO den Ort, wo der Erfolg hätte eintreten sollen (beim versuchten Erfolgsdelikt) nicht mehr. Dies ändert jedoch nichts, da Art. 8 Abs. 2 StGB den Begehungsort beim versuchten Erfolgsdelikt bereits in diesem Sinne bestimmt.

Eine weiterführende Definition des Begehungsortes ist Art. 8 Abs. 1 StGB zu entnehmen. Gemäss dieser Bestimmung gilt ein Verbrechen oder Vergehen (gemäss Art. 104 StGB gilt dies auch für Übertretungen) da als begangen, wo der Täter es ausführt. Bei Unterlassungsdelikten liegt der Tatort dort, wo der Täter pflichtwidrig untätig bleibt (dies entspricht wohl dem Ort, wo er hätte tätig werden sollen).

Abs. 2 bestimmt, dass im Falle von mehreren Begehungsorten in der Schweiz der sog. forum praeventionis zur Anwendung gelangt, wobei Art 31 Abs. 2 gegenüber dem derzeitigen Art. 340 StGB präzisiert, dass nicht die förmliche Eröffnung der Strafuntersuchung massgebend ist, sondern bereits jede Verfolgungshandlung genügt, also auch eine auf die Verfolgung einer möglichen Straftat gerichtete Handlung der Polizei im der Strafuntersuchung vorgelagerten polizeilichen Ermittlungsverfahren (Art. 306 f CHStPO). Die sekundäre Anwendung des forum praeventionis bezieht sich nur auf den Fall, wo mehrere Ausführungsorte oder mehrere Erfolgsorte vorliegen und nicht bereits auf den Fall, wo ein vom Ausführungsort abweichender Erfolgsort vorliegt (in diesem Fall bestimmt sich wie bereits erwähnt unter Auslegung des jeweiligen Tatbestandes, ob auf den Ort der Ausführungshandlung oder den Ort des Erfolgseintrittes abzustellen ist).

Abs. 3 sagt eigentlich nichts anderes als bereits Art. 29 Abs. 1 lit. a.

Art. 32 regelt den Gerichtsstand bei sog. Auslandstaten oder bei Taten, bei denen mangels bekanntem Tatort eine Auslandstat nicht ausgeschlossen werden kann, resp. bei Taten, bei denen die Begehung im Inland zwar ausser Zweifel steht, der Tatort wegen unklarem Grenzverlauf jedoch nicht bestimmt werden kann (Beispiel: Begehung einer Tat an Bord eines Schiffes Mitten auf dem Vierwaldstättersee). Diese Bestimmung ist die Folge davon, dass Art. 4 ff StGB das Schweizer Strafrecht auch auf gewisse im Ausland verübte Taten als anwendbar erklärt. Im Sinne einer Kaskade knüpft der Gerichtsstand an den Wohnsitz, den Heimatort, den Betreffungsort oder den Kanton, der die Auslieferung verlangt hat, an. Der Wortlaut stimmt weitgehend mit dem des heutigen Art. 342 StGB überein mit der der heutigen Gerichtspraxis entsprechenden Präzisierung, dass der gewöhnliche Aufenthaltsort dem Wohnsitz gleich steht (bei Fehlens eines offiziellen Wohnsitzes in der Schweiz). Massgeblich sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Verfolgung und nicht der Begehung der Tat (Trechsel Rz. 5 zu Art. 348 StGB).

Freitag, November 16, 2007

CHStPO: Kommentar zu Art. 29 und 30

Art. 29 Grundsatz der Verfahrenseinheit
1 Straftaten werden gemeinsam verfolgt und beurteilt, wenn:
a. eine beschuldigte Person mehrere Straftaten verübt hat; oder
b. Mittäterschaft oder Teilnahme vorliegt.
2 Handelt es sich um Straftaten, die teilweise in die Zuständigkeit des Bundes fallen oder die in verschiedenen Kantonen und von mehreren Personen begangen worden sind, so gehen die Artikel 25 und 33–38 vor.

Art. 30 Ausnahmen
Die Staatsanwaltschaft und die Gerichte können aus sachlichen Gründen Strafverfahren trennen oder vereinen.


Art. 29 Abs. 1 normiert den Grundsatz, dass ein Täter für mehrere verübte Straftaten in einem Verfahren verfolgt und beurteilt werden soll. Dasselbe gilt im Verhältnis zwischen mehreren Haupttätern oder Haupttäter und Teilnehmer (Gehilfen, Anstifter). Art. 30 erlaubt im Sinne einer Ausnahme, aus sachlichen Gründen davon abzuweichen.

Die entsprechenden Bestimmungen, welche sich mit der Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Bund und Kantonen befassen (Art. 25) sowie die Bestimmungen, welche den örtlichen Gerichtsstand regeln (Art. 33 - 38) gehen gemäss Art. 29 Abs. 2 der Bestimmung von Art. 29 Abs. 1 ausdrücklich vor. Bei der Frage der örtlichen Zuständigkeit resp. der Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Bund und Kantonen handelt es sich genau genommen um ein anderes Thema als das von den Art. 29 und 30 geregelte. Aus diesem Grund hat man diese beiden Artikel in der definitiven Vorlage in einem eigenen 2. Abschnitt im 2. Kapitel über die sachliche Zuständigkeit platziert. Vor dem 3. Kapitel, welches sich mit dem Gerichtsstand befasst. Noch im Entwurf wurde der Grundsatz der Verfahrenseinheit mit der Regelung des Gerichtsstandes vermischt.

Art. 29 Abs. 1 in der vorliegenden definitiven Fassung regelt als selbständigen Verfahrensgrundsatz die Verfahrenseinheit im "Binnenverhältnis", also bei mehreren strafbaren Handlungen durch denselben Täter oder strafbaren Handlungen welche von mehreren Tätern oder Teilnehmern begangen werden, für welche aber jeweils ein und dieselbe Gebietskörperschaft (Bund oder Kanton) zuständig sind. Sachlich hängt dieser Grundsatz mit Art. 49 StGB zusammen, welcher besagt, dass der Täter bei Begehung mehrerer strafbarer Handlungen, für welche gleichartige Strafen verwirkt wurden, nach dem sog. Asperationsprinzip zu verurteilen ist (Abs. 1) und dass dies auch dann zu berücksichtigen ist, wen der Täter in einem späteren Zeitpunkt in einem separaten Verfahren für Taten verurteilt wird, welche er vor einer früheren Verurteilung begangen hat (Abs. 2). In diesem Fall soll der Täter nicht strenger bestraft werden, als wenn er für sämtliche Taten gleichzeitig beurteilt würde.

Aus Art. 49 StGB (resp. früher Art. 68 StGB) lässt sich jedoch, wie das Bundesgericht ausdrücklich festgestellt hat, kein Anspruch ableiten, für mehrere strafbare Handlungen von demselben Richter in demselben Verfahren beurteilt zu werden (Bundesgerichtsentscheid 6S.414/2002 vom 6.3.2003). Dieser Anspruch, welcher sich bereits aus einigen kantonalen Strafprozessordnungen ergibt, wird nun auch in der CHStPO mittels Art. 29 Abs. 1 im Grundsatz geschaffen.

Als sachliche Gründe, welche ein Abweichen vom Grundsatz der Verfahrenseinheit gem. Art. 29 Abs. 1 erlauben (Art. 29 Abs. 2), kämen etwa die drohende Verjährung einzelner strafbarer Handlungen oder die Komplexität des Verfahrens in Frage. Auch der Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung kann eine Abtrennung einzelner (entscheidungsreifer) Verfahrensteile gebieten. Zu den Auswirkungen einer (rechtswidrigen) Verfahrensabtrennung auf die Verfahrenskosten: Bundesgerichtsentscheid 1P.705/2003 vom 27.5.2004

Sonntag, November 11, 2007

CHStPO: Kommentar zu Art. 22 - 28

Art. 22 Kantonale Gerichtsbarkeit
Die kantonalen Strafbehörden verfolgen und beurteilen die Straftaten des Bundesrechts; vorbehalten bleiben die gesetzlichen Ausnahmen.

Art. 23 Bundesgerichtsbarkeit im Allgemeinen
1 Der Bundesgerichtsbarkeit unterstehen folgende Straftaten des StGB:
a. die Straftaten des ersten und vierten Titels sowie der Artikel 140, 156, 189 und 190, sofern sie gegen völkerrechtlich geschützte Personen, gegen Magistratspersonen des Bundes, gegen Mitglieder der Bundesversammlung, gegen den Bundesanwalt, die Bundesanwältin den Stellvertretenden Bundesanwalt oder die Stellvertretende Bundesanwältin gerichtet sind;
b. die Straftaten der Artikel 137–141, 144, 160 und 172ter, sofern sie Räumlichkeiten,Archive oder Schriftstücke diplomatischer Missionen und konsularischer Posten betreffen;
c. die Geiselnahme nach Artikel 185 zur Nötigung von Behörden des Bundes oder des Auslandes;
d. die Verbrechen und Vergehen der Artikel 224–226ter;
e. die Verbrechen und Vergehen des zehnten Titels betreffend Metallgeld, Papiergeld und Banknoten, amtliche Wertzeichen und sonstige Zeichen des Bundes, Mass und Gewicht;
f. die Verbrechen und Vergehen des elften Titels, sofern es sich um Urkunden des Bundes handelt, ausgenommen Fahrausweise und Belege des Postzahlungsverkehrs;
g. die Straftaten des zwölften Titelsbis;
h. die Straftaten des Artikels 260bis sowie des dreizehnten – fünfzehnten und des siebzehnten Titels, sofern sie gegen den Bund, die Behörden des Bundes, gegen den Volkswillen bei eidgenössischen Wahlen, Abstimmungen, Referendums- oder Initiativbegehren, gegen die Bundesgewalt oder gegen die Bundesrechtspflege gerichtet sind;
i. die Verbrechen und Vergehen des sechzehnten Titels;
j. die Straftaten des achtzehnten und neunzehnten Titels sofern sie von einem Behördenmitglied oder Angestellten des Bundes oder gegen den Bund verübt wurden;
k. die Übertretungen der Artikel 329–331;
l. die politischen Verbrechen und Vergehen, die Ursache oder Folge von Unruhen sind, durch die eine bewaffnete eidgenössische Intervention veranlasst wird.
2 Die in besonderen Bundesgesetzen enthaltenen Vorschriften über die Zuständigkeit des Bundesstrafgerichts bleiben vorbehalten.

Art. 24 Bundesgerichtsbarkeit bei organisiertem Verbrechen, Finanzierung des Terrorismus und Wirtschaftskriminalität
1 Der Bundesgerichtsbarkeit unterstehen zudem die Straftaten nach den Artikeln 260ter, 260quinquies, 305bis, 305ter und 322ter–322septies StGB6 sowie die Verbrechen,die von einer kriminellen Organisation im Sinne von Artikel 260ter StGB ausgehen, wenn die Straftaten:
a. zu einem wesentlichen Teil im Ausland begangen worden sind;
b. in mehreren Kantonen begangen worden sind und dabei kein eindeutiger Schwerpunkt in einem Kanton besteht.
2 Bei Verbrechen des zweiten und des elften Titels des StGB kann die Staatsanwaltschaft des Bundes eine Untersuchung eröffnen, wenn:
a. die Voraussetzungen von Absatz 1 erfüllt sind; und
b. keine kantonale Strafverfolgungsbehörde mit der Sache befasst ist oder die zuständige kantonale Strafverfolgungsbehörde die Staatsanwaltschaft des Bundes um Übernahme des Verfahrens ersucht.
3 Die Eröffnung einer Untersuchung nach Absatz 2 begründet Bundesgerichtsbarkeit.

Art. 25 Delegation an die Kantone
1 Die Staatsanwaltschaft des Bundes kann eine Strafsache, für welche Bundesgerichtsbarkeit nach Artikel 23 gegeben ist, den kantonalen Behörden zur Untersuchung und Beurteilung, ausnahmsweise nur zur Beurteilung übertragen. Ausgenommen sind Strafsachen nach Artikel 23 Absatz 1 Buchstabe g.
2 In einfachen Fällen kann sie auch eine Strafsache, für welche Bundesgerichtsbarkeit nach Artikel 24 gegeben ist, den kantonalen Behörden zur Untersuchung und Beurteilung übertragen.

Art. 26 Mehrfache Zuständigkeit
1 Wurde die Straftat in mehreren Kantonen oder im Ausland begangen oder haben Täterinnen, Täter, Mittäterinnen, Mittäter, Teilnehmerinnen oder Teilnehmer ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort in verschiedenen Kantonen, so
entscheidet die Staatsanwaltschaft des Bundes, welcher Kanton die Strafsache untersucht und beurteilt.
2 Ist in einer Strafsache sowohl Bundesgerichtsbarkeit als auch kantonale Gerichtsbarkeit gegeben, so kann die Staatsanwaltschaft des Bundes die Vereinigung der Verfahren in der Hand der Bundesbehörden oder der kantonalen Behörden anordnen.
3 Eine nach Absatz 2 begründete Gerichtsbarkeit bleibt bestehen, auch wenn der die Zuständigkeit begründende Teil des Verfahrens eingestellt wird.
4 Kommt eine Delegation im Sinne dieses Kapitels in Frage, so stellen die Staatsanwaltschaften des Bundes und der Kantone sich die Akten gegenseitig zur Einsichtnahme zu. Nach dem Entscheid gehen die Akten an die Behörde, welche die Sache
zu untersuchen und zu beurteilen hat.

Art. 27 Zuständigkeit für erste Ermittlungen
1 Ist in einem Fall Bundesgerichtsbarkeit gegeben, ist die Sache dringlich und sind die Strafbehörden des Bundes noch nicht tätig geworden, so können die polizeilichen Ermittlungen und die Untersuchung auch von den kantonalen Behörden durchgeführt
werden, die nach den Gerichtsstandsregeln örtlich zuständig wären. Die Staatsanwaltschaft des Bundes ist unverzüglich zu orientieren; der Fall ist ihr so bald als möglich zu übergeben beziehungsweise zum Entscheid nach Artikel 25 oder 26
zu unterbreiten.
2 Bei Straftaten, die ganz oder teilweise in mehreren Kantonen oder im Ausland begangen worden sind und bei denen die Zuständigkeit des Bundes oder eines Kantons noch nicht feststeht, können die Strafbehörden des Bundes erste Ermittlungen durchführen.

Art. 28 Konflikte
Konflikte zwischen der Staatsanwaltschaft des Bundes und kantonalen Strafbehörden entscheidet das Bundesstrafgericht.


Die Art. 22 - 28 grenzen die Kompetenz zwischen den Kantonen und dem Bund in der Strafverfolgung und Beurteilung von Straftaten ab. Dabei wurden im Prinzip die bisherigen Regelungen, wie sie im heutigen StGB Art. 336 - 338 sowie im Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege (BStP)enthalten sind ohne materielle Änderungen übernommen.

Art. 22 beinhaltet den Grundsatz, wonach die Verfolgung und Beurteilung von Straftaten des Bundesrechts (insb. des StGB aber auch der Nebenstrafgesetzgebung des Bundes) den Kantonen obliegt (so heute Art. 338 StGB bezüglich Straftatbeständen des StGB).

Art. 23 zählt diejenigen strafbaren Handlungen auf, die schon herkömmlicherweise der Bundesstrafgerichtsbarkeit unterstanden.

Art. 24 enthält diejenigen strafbaren Handlungen, welche seit dem Inkrafttreten der sog. Effizienzvorlage am 1.1.2002 durch die Bundesanwaltschft verfolgt und seit der Aufnahme seiner Tätigkeit am 1.4.2004 durch das Bundesstrafgericht in Bellinzona beurteilt werden. Art. 24 übernimmt den heutigen Art. 337 des StGB. Unterschieden wird nach wie vor zwischen denjenigen strafbaren Handlungen, welche (unter den Voraussetzungen der lit. a und b) zwingend der Bundesgerichtsbarkeit unterstehen (Zugehörigkeit zu einer kriminellen Organisation, Art. 260ter StGB; Finanzierung des Terrorismus, Art. 260quinquies StGB; Geldwäscherei, Art. 305bis StGB; Mangelnde Sorgfalg bei Finanzgeschäften, Art. 305ter StGB sowie die Korruptionstatbestände der Art. 322ter - septies StGB und sämtliche strafbaren Handlungen, welche von einer kriminellen Organisation im Sinne von Art. 260ter StGB ausgehen) einerseits und der fakultativen Bundeskompetenz bei Vermögens- und Urkundsdelikten (Wirtschaftskriminalität) gemäss Abs. 2 andererseits.

Zur Bundeskompetenz hinsichtlich strafbarer Handlungen, welche von einer kriminellen Organisation ausgehen, sei an dieser Stelle auf BGE 133 IV 235 verwiesen. Gemäss diesem Entscheid liegt Bundesgerichtsbarkeit auch in Fällen vor, in denen Art. 260ter StGB nicht zur Anwendung gelangt, jedoch dringender Verdacht besteht oder bestand, dass strafbare Handlungen von Personen verübt wurden, welche einer Organisation angehören, die die Kriterien des Art. 260ter StGB erfüllt. Diesbezüglich ist die subsidäre Natur des Art. 260ter StGB zu beachten. Diese Bestimmung gelangt nicht zur Anwendung, wenn sich die Beteiligung des Täters an einer kriminellen Organisation in der Begeheung oder Beteiligung an einer konkreten Straftat erschöpft, deren Begehung oder Beteiligung daran, dem Täter nachgewiesen werden kann. Art. 337 StGB soll jedoch auch auf solche Fälle angewendet werden. Zudem soll die einmal angenommene Bundeskompetenz später nicht ohne Not in Frage gestellt werden dürfen, d.h. die Kompetenz des Bundesstrafgerichtes bleibt bestehen, auch wenn sich später ergibt, dass die Kriterien des Art. 260ter resp. der dazu entwickelten Rechtsprechung nicht erfüllt sind. Eine Ausnahme, welche die spätere Änderung der Zuständigkeit rechtfertigen würde, läge lediglich etwa dann vor, wenn die Annahme der Zuständigkeit durch die Bundesanwaltschaft bei Aufnahme der Ermittlungen offensichtlich missbräuchlich gewesen wäre.

Art. 25 übernimmt die bisherigen Regelungen des StGB resp. BStP mit zwei Ausnahmen. Die Delegation von Fällen nach Art. 23 ist vom Wortlaut her nicht mehr auf einfache Fälle beschränkt. Zudem ist die Delegation bei Völkermord (bei diesem Tatbestand sind wohl sowieso keine einfachen Fälle denkbar) ausgeschlossen.

Art. 26 übernimmt ebenfalls die heutigen Bestimmungen des BStP mit der Ausnahme, dass zum Entscheid, welcher Kanton im Falle von Abs. 1 zur Strafverfolgung ermächtigt und verpflichet ist, nur noch die Staatsanwaltschaft des Bundes und nicht (auch) das Bundesstrafgericht zuständig ist.

Art. 27 Abs. 1 ermächtigt die Kantone in dringenden Fällen bei Bundesgerichtsbarkeit Ermittlungen oder Untersuchungshandlungen vorzunehmen. Gemäss Abs. 2 ist auch der Bund zur Vornahme der ersten Ermittlungshandlungen befugt, in Fällen, bei denen noch keine Zuständigkeit eines einzelnen Kantons oder des Bundes feststeht. Gedacht wird dabei primär an Fälle grenzüberschreitender Netzwerkkriminalität (s. BBl 2006, S. 1141). Im Gegensatz zu Abs. 1 spricht Abs. 2 nur von Ermittlungshandlungen und nicht auch Untersuchungshandlungen.

Art. 28 entspricht der heutigen Regelung im BStP.

Mittwoch, November 07, 2007

CHStPO: Kommentar zu Art. 18 - 21

Art. 18 Zwangsmassnahmengericht
1 Das Zwangsmassnahmengericht ist zuständig für die Anordnung der Untersuchungs- und der Sicherheitshaft und, soweit in diesem Gesetz vorgesehen, für die Anordnung oder Genehmigung weiterer Zwangsmassnahmen.
2 Mitglieder des Zwangsmassnahmengerichts können im gleichen Fall nicht als Sachrichterinnen oder Sachrichter tätig sein.

Art. 19 Erstinstanzliches Gericht
1 Das erstinstanzliche Gericht beurteilt in erster Instanz alle Straftaten, die nicht in die Zuständigkeit anderer Behörden fallen.
2 Bund und Kantone können als erstinstanzliches Gericht ein Einzelgericht vorsehen für die Beurteilung von:
a. Übertretungen;
b. Verbrechen und Vergehen, mit Ausnahme derer, für welche die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren, eine Verwahrung nach Artikel 64 StGB, eine Behandlung nach Artikel 59 Absatz 3 StGB oder, bei gleichzeitig zu widerrufenden bedingten Sanktionen, einen Freiheitsentzug von mehr als zwei Jahren beantragt.

Art. 20 Beschwerdeinstanz
1 Die Beschwerdeinstanz beurteilt Beschwerden gegen Verfahrenshandlungen und gegen nicht der Berufung unterliegende Entscheide:
a. der erstinstanzlichen Gerichte;
b. der Polizei, der Staatsanwaltschaft und der Übertretungsstrafbehörden;
c. des Zwangsmassnahmengerichts in den in diesem Gesetz vorgesehenen Fällen.
2 Bund und Kantone können die Befugnisse der Beschwerdeinstanz dem Berufungsgericht übertragen.

Art. 21 Berufungsgericht
1 Das Berufungsgericht entscheidet über:
a. Berufungen gegen Urteile der erstinstanzlichen Gerichte;
b. Revisionsgesuche.
2 Wer als Mitglied der Beschwerdeinstanz tätig geworden ist, kann im gleichen Fall nicht als Mitglied des Berufungsgerichts wirken.
3 Mitglieder des Berufungsgerichts können im gleichen Fall nicht als Revisionsrichterinnen und Revisionsrichter tätig sein.


Diese Bestimmungen befassen sich mit den verschiedenen Gerichtsinstanzen, welche die CHStPO vorsieht. In der konkreten Ausgestaltung dieser Gerichtsinstanzen in organisatorischer und funktionaler Hinsicht sind Bund und Kantone relativ frei (Art. 14). So ist es ihnen freigestellt, die Funktion mehrerer Gerichtsinstanzen ein- und demselben Gericht zu übertragen. So wäre es bspw. zulässig, die Funktion des Zwangsmassnahmengerichtes einem erstinstanzlichen Gericht oder gar dem Berufungsgericht zu übertragen. Lediglich die Variante, die Funktion des Zwangsmassnahmengerichtes der Beschwerdeinstanz zu übertragen scheidet wohl aus, da die von der CHStPO vorgesehene Beschwerdemöglichkeit gegen Entscheide des Zwangsmassnahmengerichtes gewährleistet werden muss. Denkbar wäre aber, sowohl die Funktion des Zwangsmassnahmengerichtes wie auch die Funktion der Beschwerdeinstanz dem Berufungsgericht zu übertragen. In diesem Fall ist jedoch zu gewährleisten, dass nicht diejenigen Mitglieder des Berufungsgerichts im Berufungsverfahren mitwirken, welche bereits in gleicher Sache als Zwangsmassnahmenrichter oder als Mitglied der Beschwerdeinstanz mitgewirkt haben (Art. 18 Abs. 2 und Art. 21 Abs. 2).

Ebenfalls nicht zulässig, obwohl im Gesetzestext nicht explizit erwähnt, wäre die Mitwirkung desselben Richters in derselben Sache in der Beschwerdeinstanz bezüglich einer Beschwerde gegen einen Entscheid, bei dem er als Zwangsmassnahmenrichter oder erstinstanzlicher Richter mitgewirkt hat (dies gilt selbstverständlich auch im Verhältnis Berufungsgericht - erstinstanzliches Gericht). Genauso ausgeschlossen ist die Mitwirkung des Zwangsmassnahmenrichters in derselben Sache beim erstinsanzlichen Gericht (Art. 18 Abs. 2).

Gemäss Art. 21 Abs. 3 können Mitglieder des Berufungsgerichts auch nicht als Revisionsrichter in derselben Sache tätig sein. Diese Bestimmung ist besonders deshalb von praktischer Relevanz, da die CHStPO keine gesonderte Revisionsinstanz vorsieht. Gemäss CHStPO gibt es nur noch zwei Rechtsmittel gegen Sachurteile: die Berufung (als ordentliches Rechtsmittel) und die Revision bezüglich rechtskräftiger (erst- oder zweitinstanzlicher) Urteile. Gemäss Art. 21 Abs. 1 lit. b urteilt das Berufungsgericht auch über Revisionsgesuche.

Freiheit in der Organisation der Gerichtsinstanzen (Art. 14) besteht auch hinsichtlich deren Bezeichnung. So wäre es Bund und Kantonen grundsätzlich erlaubt, die Berufungsinstanz als Appellationsgericht zu benennen, bezeichnen doch die Art. 18 - 21 lediglich die Aufgaben der Gerichte und nicht deren Benennung.

Ebenfalls autonom gestützt auf Art. 14 sind Bund und Kantone grundsätzlich in der Frage, ob sie die Gerichtsinstanzen als Einzel- oder Kollegialgerichte einsetzen wollen. Dies jedoch mit gewissen Einschränkungen:

Beim erstinstanzlichen Gericht ist gemäss Art. 19 Abs. 2 lit. b die Einsetzung eines Einzelrichters unzulässig bezüglich Fälle, in denen der Staatsanwalt eine Freiheitsstrafe von mehr als 2 Jahren, eine Verwahrung nach Art. 64 StGB oder eine Behandlung nach Art. 59 Abs. 3 StGB beantragt. Dies muss wohl sinnvollerweise auch für das Berufungsgericht gelten, obschon das so klar nicht aus dem Gesetzestext hervorgeht. Klarerweise zulässig dürfte die Einsetzung eines Einzelrichters als Zwangsmassnahmenrichter sein (s.a. Botschaft, BBl 2006, S. 1138). Was die Beschwerdeinstanz anbelangt, ergibt sich aus Art. 395, dass Bund und Kantone befugt sind, Einzelrichter als Beschwerdeinstanz einzusetzen.

Eine Anmerkung sei an dieser Stelle noch zu Art. 20 Abs. 1 lit. c angebracht:

Aus dieser Bestimmung erhellt, dass nicht gegen alle Entscheide des Zwangsmassnahmengerichtes Beschwerde erhoben werden kann. Interessanterweise ist dies gerade bei der einschneidensten Massnahme, nämlich der Haftanordnung, nicht der Fall. Gemäss Art. 222 ist die Beschwerde gegen Haftentscheide lediglich möglich, wenn die Untersuchungshaft oder Sicherheitshaft 3 Monate gedauert hat. Legitimiert ist in jedem Fall auch lediglich die inhaftierte Person, nicht also auch die Staatsanwaltschaft.

Zulässig ist die Beschwerde jedoch für den Überwachten (währenddem die Staatsanwaltschaft wiederum nicht zum Ergreifen von Rechtsmitteln gegen die Verweigerung der Genehmigung durch das Zwangsmassnahmengericht legitimiert ist) uneingeschränkt bezüglich praktisch sämtlicher übriger Entscheide des Zwangsmassnahmengerichtes (Anorndung der Telefonüerwachung, Art. 279 Abs. 3; Überwachung mit technischen Überwachungsgeräten, Art. 281 Abs. 4 i.Vb.m. Art. 279 Abs. 3; Überwachung von Bankbeziehungen, Art. 285 Abs. 4; verdeckte Ermittlung, Art. 298 Abs. 3). Kein Rechtsmittel besteht gegen die Bewilligung einer DNA-Massenuntersuchung durch das Zwangsmassnahmengericht (Art. 256 i.Vb.m. Art. 20 Abs. 1 lit. c). Während der Sinn des Ausschlusses der Beschwerdemöglichkeit bei DNA-Massenuntersuchungen noch einleuchtet (beschwerdelegitimiert wäre eben die "Masse", was die Kapazitäten der Beschwerdeinstanz wohl sprengen würde), ist sie bei der Untersuchungs- und Sicherheitshaft zwar in den bisherigen kantonalen Strafprozessordnungen üblich, aber m.E. nicht auf den ersten Blick nachvollziehbar.

Montag, November 05, 2007

CHStPO: Kommentar zu Art. 17

Art. 17 Übertretungsstrafbehörden
1 Bund und Kantone können die Verfolgung und Beurteilung von Übertretungen Verwaltungsbehörden übertragen.
2 Übertretungen, die im Zusammenhang mit einem Verbrechen oder Vergehen verübt worden sind, werden zusammen mit diesem durch die Staatsanwaltschaft und die Gerichte verfolgt und beurteilt.


Art. 17 gibt den Kantonen die Möglichkeit, für die Verfolgung und Beurteilung von Übertretungen (welche nicht zusammen mit Verbrechen oder Vergehen verfolgt und beurteilt werden) besondere Behörden zu schaffen. Dies können auch Verwaltungsbehörden sein (bspw. Regierungsstatthalter, Polizeirichter etc.). Die Übertretungsstrafbehörden sind wie die Staatsanwaltschaft und die Strafgerichte im Rahmen der Rechtsanwendung unabhängig (Art. 4 Abs. 1). Das Übertretungsstrafverfahren wird in Art. 357 geregelt. Diese Bestimmung verweist wiederum auf das Strafbefehlsverfahren.

Die CHStPO enthält auch andernorts besondere Bestimmungen, welche sich auf die Verfolgung und Beurteilung von Übertretungen beziehen:

- Gemäss Art. 127 Abs. 5 können die Kantone in Übertretungsstrafverfahren vorsehen, dass die Verteidigung der Beschuldigten auch durch Personen ausgeübt werden kann, welche gemäss Anwaltsgesetz (BGFA) nicht zur Parteivertretung zugelassen sind.

- Art. 217 Abs. 3 ermöglicht die vorläufige Festnahme bei Übertretungen nur unter eingeschränkten Voraussetzungen (bei unbekannten Personalien, fehlendem Wohnsitz in der Schweiz oder wenn die Festnahme nötig ist, um den Verdächtigen vor der Begehung weiterer Übertretungen abzuhalten). Im Falle des fehlenden Wohnsitzes in der Schweiz ist die vorläufige Festnahme nur zulässig, wenn der Verdächtige nicht unverzüglich eine Kaution für die zu erwartende Busse leistet. In jedem Fall ist der lediglich einer Übertretung Verdächtige spätestens nach 24 Stunden wieder zu entlassen, da die Anordnung der Untersuchungshaft bei Übertretungen nicht in Frage kommt (Art. 219 i.Vb.m. Art. 221).

- Gemäss Art. 381 Abs. 3 kann auch die Legitimation von Behörden zum Ergreifen von Rechtsmitteln abweichend vom Verfahren bezüglich Verbrechen und Vergehen geregelt werden.

- Gemäss Art. 395 lit. a beurteilt der Präsident (Art. 61 lit. c) der Beschwerdeinstanz (wenn die Kantone als Beschwerdeinstanz Kollegialgerichte vorsehen) Beschwerden im Übertretungsstrafverfahren als Einzelrichter. Gemäss Art. 19 Abs. 2 lit. a können die Kantone bei Übertretungen auch Einzelrichter als urteilende Instanz vorsehen.

- Art. 398 Abs. 4 schränkt die Berufungsgründe bei Übertretungsstrafverfahren ein. Gerügt werden kann lediglich ein mit Rechtsfehlern behaftetes Urteil sowie eine offensichtlich unrichtige oder auf Rechtsverletzungen beruhende Sachverhaltsfeststellung. Neue Behauptungen und Beweise können nicht vorgebracht werden. Gemäss Art. 406 Abs. 1 lit. c können die Kantone im Übertretungsstrafverfahren für Berufungen das schriftliche Verfahren vorsehen.

Abgesehen von diesen Abweichungen sind auch die Übertretungsstrafbehörden (wie neben der Staatsanwaltschaft und den Gerichten auch die Polizei) grundsätzlich ohne Einschränkungen der CHStPO unterstellt. All diese abweichenden Verfahrensbestimmungen bei Übertretungen trachten offensichtlich danach, in diesen Verfahren höhere Effizienz zu ermöglichen. Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, dass es sich bei den Übertretungsstrafverfahren mit Abstand um die am häufigsten vorkommenden Strafverfahren handelt. Die Kantone, die von abweichenden Bestimmungen für Übertetungsstrafverfahren Gebrauch machen wollen, müssen sich daher im Klaren sein, dass diese "Ausnahmen" (vom normalen Verfahren) rein zahlenmässig die Regel darstellen werden.

Samstag, November 03, 2007

CHStPO: Kommentar zu Art. 16

Art. 16 Staatsanwaltschaft
1 Die Staatsanwaltschaft ist für die gleichmässige Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs verantwortlich.
2 Sie leitet das Vorverfahren, verfolgt Straftaten im Rahmen der Untersuchung, erhebt gegebenenfalls Anklage und vertritt die Anklage.


Gemäss dem in der CHStPO gewählten Staatsanwaltsmodell II kommt dem Staatsanwalt über das gesamte Strafverfahren gesehen eine vorherrschende Stellung zu. Er leitet das Vorverfahren, erhebt Anklage und vertritt diese vor Gericht. Nachdem zu Beginn des Gesetzgebungsprozesses noch viel gestritten wurde um die Wahl des richtigen Modelles, sind die - vornehmlich aus der Westschweiz stammenden - Kritiker dieses Modelles letztendlich verstummt. Heute kann man sagen, dass die Wahl des Staatsanwaltsmodelles II für die CHStPO einem gesamtschweizerisch breit abgestützten Konsens entspricht.

Einen Vorteil dieses Modelles drückte im Ständerat der ehemalige Staatsanwalt Dick Marty wie folgt aus: "La deuxième réflexion concerne le modèle que l'on a choisi. On veut "un ministère public fort". Je pense que c'est la meilleure solution parmi celles proposées. Lorsqu'on parle d'un ministère public fort, ça ne veut pas dire "trop fort". Et plutôt que "fort", j'aimerais pour ma part dire "un ministère public qui a plus de responsabilités", c'est-à-dire un ministère public plus responsable. Que se passait-il avec le système précédent, que j'ai connu, pour la réforme duquel j'ai lutté, et que l'on a fini par changer au Tessin? C'est que ce partage de responsabilités entre juge d'instruction et procureur conduisait à une certaine déresponsabilisation, alors que maintenant, vous avez un procureur qui est maître et directeur de la procédure dès le premier jour jusqu'à ce qu'il se présente devant le juge. Il ne pourra plus dire - comme on l'a souvent vu et entendu dans les salles de justice: "C'est le juge d'instruction qui a fait cet acte, c'est le juge d'instruction qui a ordonné cette perquisition, qui a reconduit cet interrogatoire." Non! Maintenant, au tribunal, on aura quelqu'un qui répond lui-même de la conduite de l'enquête. Et cela, selon moi, est une garantie importante pour le prévenu et pour le déroulement correct du procès pénal."

In der Tat dürfte es die Qualität des Vorvefahrens tendenziell steigern, wenn derjenige, der die Verantwortung für das Vorverfahren trägt, sich während dessen Verlauf stets gewiss ist, dass er anlässlich der Hauptverhandlung persönlich für seine Arbeit quasi gerade zu stehen hat. In der durchgängigen Verfahrensführung in einer Hand liegt auch ein Effizienzgewinn. Andererseits fehlt das Vieraugenprinzip, welches einen der Vorteile der Strafverfolgungsmodelle mit Untersuchungsrichter darstellt.

Die exklusive Verfahrensführung durch den Staatsanwalt ohne Untersuchungsrichter gibt dem Staatsanwalt auf der anderen Seite sehr viel Macht. Dessen war sich der Gesetzgeber bewusst und hat deshalb einige Kontrollmechanismen eingebaut, welche die Macht des Staatsanwaltes beschränken sollen:

- Art. 18 verpflichtet die Kantone, sog. Zwangsmassnahmegerichte zu schaffen. Dessen Genehmigung unterliegen die Untersuchungs- und Sicherheitshaft, die verdeckten Zwangsmassnahmen (Telefonüberwachung, Einsatz verdeckter Ermittler, Einsatz von technischen Überwachungsgeräten, die Überwachung von Bankbeziehungen) sowie die Anordnung von DNA-Massenanalysen.

- Ausbau der Verteidigungsrechte: gemäss Art. 159 Abs. 1 kann die Verteidigung in jedem Fall auch schon bei polizeilichen Einvernahmen teilnehmen (sog. "Anwalt der ersten Stunde"); Art. 130 regelt die notwendige Verteidigung rel. grosszügig.

- Gemäss Art. 393 können sämtliche Verfügungen und Verfahrenshandlungen der Staatsanwaltschaft, der Polizei und der Übertretungsstrafbehörden mittels Beschwerde angefochten werden. Geltend gemacht werden können Rechtsverletzungen, einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens und Rechtsverzögerung sowie Rechtsverweigerung und schliesslich auch unvollständige oder unrichtige Sachverhaltsfeststellung und Unangemessenheit.

So gesehen kann man feststellen, dass der Untersuchungsrichter zwar verschwindet, seine Aufgaben künftig aber in die Hände und Veranwtortung der Verteidigung, des Zwangsmassnahmegerichtes und der Beschwerdeinstanz gelegt werden.

Donnerstag, November 01, 2007

CHStPO: Kommentar zu Art. 15

Art. 15 Polizei
1 Die Tätigkeit der Polizei von Bund, Kantonen und Gemeinden im Rahmen der Strafverfolgung richtet sich nach diesem Gesetz.
2 Die Polizei ermittelt Straftaten aus eigenem Antrieb, auf Anzeige von Privaten und Behörden sowie im Auftrag der Staatsanwaltschaft; dabei untersteht sie der Aufsicht
und den Weisungen der Staatsanwaltschaft.
3 Ist ein Straffall bei einem Gericht hängig, so kann dieses der Polizei Weisungen und Aufträge erteilen.


Art. 15 befasst sich als erste der in Art. 12 genannten Strafverfolgungsbehörden mit der Polizei. Da ich darüber schon viel geschrieben habe, soll nun an dieser Stelle ein Polizist selbst zu Wort kommen. Stefan Blättler, Dr. iur. und Kommandant der Kantonspolizei Bern hat sich in der Zeitschrift für Strafrecht (ZStrR, Band 125, 2007, S. 242 ff) unter dem Titel "Die Stellung der Polizei im neuen schweizerischen Strafverfahren" zu den Auswirkungen der CHStPO auf die Polizei geäussert. Er äusserte sich u.a. wie folgt:

Zum Verhältnis Polizei-Staatsanwaltschft:

„Die Frage der Stellung der Polizei in einer künftigen vereinheitlichten schweizerischen Strafprozessordnung ist verständlicherweise im Rahmen der Diskussionen über die Ausgestaltung der Strafverfolgung ein zentrales Thema. Es ist mir deshalb erlaubt, einleitend zu meinen Ausführungen, zwei Feststellungen anzubringen:

1. Es ist – auch aus Sicht der Polizei – höchste Zeit, dass die Schweiz über ein einheitliches Strafverfahrensrecht verfügt. Es ist ein Gebot der Stunde, dass alle Strafverfolgungsbehörden dieses Landes nach denselben Verfahrensvorschriften tätig werden.
2. Es wurde viel diskutiert über die Wahl des Strafverfolgungsmodells. Der nun vorliegende Entwurf basiert auf dem Staatsanwaltschaftsmodell. Auch wenn es für jedes System durchaus bedenkenswerte Vor- und Nachteile gibt, stelle ich mich ohne Vorbehalte hinter das Staatsanwaltschaftsmodell. Ich bin überzeugt, dass die Zusammenarbeit zwischen der Polizei und den Staatsanwaltschaften effizient, unkompliziert und der Sache verpflichtet erfolgen kann.

Ich möchte mich deshalb vorab mit Themenkreisen beschäftigen, die aus polizeilicher Sicht im Gesetzgebungsprozess entweder nicht diskutiert oder aber zu wenig berücksichtig worden sind. Dabei ist es interessant, festzustellen, dass die Polizei als Organisation im Entwurf zur Strafprozessordnung nur in relativ wenigen Bestimmungen Eingang gefunden hat. Immerhin bleibt die Feststellung, dass die Polizei gemäss Art. 12 des Entwurfs als eine von drei Strafverfolgungsbehörden bezeichnet wird. Und in Artikel 15 wird ihre Aufgabe konkretisiert. Sie ermittelt Straftaten

- aus eigenem Antrieb,
- auf Anzeige von Privaten und Behörden sowie
- im Auftrag der Staatsanwaltschaft.

Dabei untersteht sie der Aufsicht und den Weisungen der Staatsanwaltschaft. Dies hat natürlich zu gewissen Diskussionen in Polizeikreisen Anlass gegeben. Ist die Polizei nun ein Anhängsel der Staatsanwaltschaft ? Oder bleibt sie selbständig ? Wie verhält es sich mit dem Weisungsrecht der Staatsanwaltschaft ? Hat der Polizeikommandant nichts mehr zu sagen ? Betrachtet man die Angelegenheit nüchtern, bleibt festzustellen, dass mit dem vorgelegten Entwurf einer eidgenössischen Strafprozessordnung die Polizeihoheit der Kantone nicht in Frage gestellt wird. Jeder Kanton bleibt auch in Zukunft für die Gesetzgebung im Polizeibereich zuständig. Die Organisation des Polizeiwesens bleibt somit kantonal.

Die vorgängig etwas provokativ gestellte Fragen ergeben sich aus der Tatsache, dass alle kantonalen Polizeiorganisationen der Schweiz sowohl sicherheitspolizeilich wie gerichtspolizeilich tätig sind. Und die Gewaltenteilung – eine der grossen Errungenschaften des Rechtsstaates – führt dazu, dass die Polizei je nach Tätigkeits-und Aufgabengebiet sowohl der Exekutive, d.h. den Regierungen, wie auch den Justizbehörden Rechenschaft schuldig ist und von ihnen im jeweiligen Zuständigkeitsgebiet entsprechende Weisungen erhalten kann. Und erschwerend kommt die Tatsache dazu, dass vielfach eine Polizeitätigkeit sowohl aufgrund des sicherheitspolizeilichen Auftrags als auch im Lichte gerichtspolizeilicher Verpflichtungen gesehen werden kann. Oder um es elegant auszudrücken: Die Polizei ist Dienerin vieler Herren.“

Zur Dokumentations- und Protokollierungspflicht:

„Diese umfassende Protokollierungspflicht dürfte nebst einem entsprechenden Instruktionsbedarf an die Polizeiangehörigen ein noch nicht abzuschätzendes Mass an Mehraufwand für die Polizei zur Folge haben. Dabei stellt sich auch einerseits die Frage, ab wann diese umfassende Dokumentationspflicht aus strafprozessualer Sicht zwingend wird. Wie ich bereits ausgeführt habe, ist die Polizei ja auch im Grenzbereich zwischen sicherheits- und kriminalpolizeilichen Aufgaben tätig. Vielfach ergibt sich aus Feststellungen eine gewisse nicht definierbare Anzahl von Hinweisen, ohne dass diese sich zu einem konkreten Tatverdacht verdichten, der die Aufnahme eines eigentlichen Ermittlungsverfahrens rechtfertigen würde. Allein schon vom Aufwand, den die Polizei zu betreiben hat, muss davon ausgegangen werden, dass die Pflicht zur Protokollierung und Aktenführung erst dann einsetzen kann, wenn sich ein Tatverdacht erhärtet hat.

Andererseits muss im Rahmen der Protokollierungspflicht dazu Sorge getragen werden, dass polizeitaktische Überlegungen nicht aus den Akten entnommen werden können. Es kann wohl nicht das Ziel des Gesetzgebers sein, Angeschuldigten die Gelegenheit einzuräumen, sich im Rahmen eines Strafverfahrens über polizeiliche Vorgehensweisen und Methoden kundig zu machen, um sch dann gegebenenfalls bei möglichen künftigen Taten daran orientieren zu können.“

Fazit:

„Zusammenfassend und als Fazit darf ich festhalten, dass das neue Eidg. Strafprozessrecht auf die Arbeit der Polizei spürbare Auswirkungen haben wird. Einige dieser Auswirkungen habe ich vorhin kurz skizziert. Dabei dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, dass der Auftrag der Polizei in der Bekämpfung des Verbrechens und nicht bloss in dessen Verwaltung liegt. Dies ist aber nur dann möglich, wenn nicht nur die Polizeiorganisationen der Schweiz untereinander eng zusammenarbeiten, sondern wenn Polizei und Staatsanwaltschaft am selben Strick und in dieselbe Richtung ziehen.“

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