Montag, Mai 12, 2008

CHStPO: Kommentar zu Art. 80 - 83

5. Abschnitt: Entscheide

Art. 80 Form
1 Entscheide, in denen über Straf- und Zivilfragen materiell befunden wird, ergehen in Form eines Urteils. Die anderen Entscheide ergehen, wenn sie von einer Kollektivbehörde
gefällt werden, in Form eines Beschlusses, wenn sie von einer Einzelperson gefällt werden, in Form einer Verfügung. Die Bestimmungen des Strafbefehlsverfahrens bleiben vorbehalten.
2 Entscheide ergehen schriftlich und werden begründet. Sie werden von der Verfahrensleitung sowie der protokollführenden Person unterzeichnet und den Parteien zugestellt.
3 Einfache verfahrensleitende Beschlüsse und Verfügungen brauchen weder besonders ausgefertigt noch begründet zu werden; sie werden im Protokoll vermerkt und den Parteien in geeigneter Weise eröffnet.

Art. 81 Inhalt der Endentscheide
1 Urteile und andere verfahrenserledigende Entscheide enthalten:
a. eine Einleitung;
b. eine Begründung;
c. ein Dispositiv;
d. sofern sie anfechtbar sind: eine Rechtsmittelbelehrung.
2 Die Einleitung enthält:
a. die Bezeichnung der Strafbehörde und ihrer am Entscheid mitwirkenden Mitglieder;
b. das Datum des Entscheids;
c. eine genügende Bezeichnung der Parteien und ihrer Rechtsbeistände;
d. bei Urteilen die Schlussanträge der Parteien.
3 Die Begründung enthält:
a. bei Urteilen: die tatsächliche und die rechtliche Würdigung des der beschuldigten Person zur Last gelegten Verhaltens, die Begründung der Sanktionen, der Nebenfolgen sowie der Kosten- und Entschädigungsfolgen;
b. bei anderen verfahrenserledigenden Entscheiden: die Gründe für die vorgesehene Erledigung des Verfahrens.
4 Das Dispositiv enthält:
a. die Bezeichnung der angewendeten Gesetzesbestimmungen;
b. bei Urteilen: den Entscheid über Schuld und Sanktion, Kosten- und Entschädigungsfolgen und allfällige Zivilklagen;
c. bei anderen verfahrenserledigenden Entscheiden: die Anordnung über die Erledigung des Verfahrens;
d. die nachträglichen richterlichen Entscheidungen;
e. den Entscheid über die Nebenfolgen;
f. die Bezeichnung der Personen und Behörden, die eine Kopie des Entscheides oder des Dispositivs erhalten.

Art. 82 Einschränkungen der Begründungspflicht
1 Das erstinstanzliche Gericht verzichtet auf eine schriftliche Begründung, wenn es:
a. das Urteil mündlich begründet; und
b. nicht eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren, eine Verwahrung nach Artikel 64 StGB, eine Behandlung nach Artikel 59 Absatz 3 StGB oder, bei gleichzeitig zu widerrufenden bedingten Sanktionen, einen Freiheitsentzug von mehr als zwei Jahren ausspricht.
2 Das Gericht stellt den Parteien nachträglich ein begründetes Urteil zu, wenn:
a. eine Partei dies innert 10 Tagen nach Zustellung des Dispositivs verlangt;
b. eine Partei ein Rechtsmittel ergreift.
3 Verlangt nur die Privatklägerschaft ein begründetes Urteil oder ergreift sie allein ein Rechtsmittel, so begründet das Gericht das Urteil nur in dem Masse, als dieses sich auf das strafbare Verhalten zum Nachteil der Privatklägerschaft und auf deren Zivilansprüche bezieht.
4 Im Rechtsmittelverfahren kann das Gericht für die tatsächliche und die rechtliche Würdigung des angeklagten Sachverhalts auf die Begründung der Vorinstanz verweisen.

Art. 83 Erläuterung und Berichtigung von Entscheiden
1 Ist das Dispositiv eines Entscheides unklar, widersprüchlich oder unvollständig oder steht es mit der Begründung im Widerspruch, so nimmt die Strafbehörde, die den Entscheid gefällt hat, auf Gesuch einer Partei oder von Amtes wegen eine Erläuterung
oder Berichtigung des Entscheids vor.
2 Das Gesuch ist schriftlich einzureichen; die beanstandeten Stellen beziehungsweise die gewünschten Änderungen sind anzugeben.
3 Die Strafbehörde gibt den anderen Parteien Gelegenheit, sich zum Gesuch zu äussern.
4 Der erläuterte oder berichtigte Entscheid wird den Parteien eröffnet.


Art. 80 unterscheidet entsprechend der herkömmlichen strafprozessrechtlichen Terminologie die Entscheide in der Sache, welche als Urteile ergehen und die Prozessentscheide, welche als Verfügungen oder Beschlüsse ergehen (Abs. 1). Sämtliche Entscheide sind grundsätzlich schriftlich zu erlassen und zu begründen (Abs. 2). Abs. 3 sieht die Möglichkeit vor, einfache verfahrensleitende Entscheide lediglich im Protokoll festzuhalten und auf eine Begründung zu verzichten. Die Bestimmung äussert sich nicht darüber, wann es sich um einen einfachen Entscheid handelt. Dabei wird einerseits zu fordern sein, dass der Entscheid nicht erheblich in die Rechte der Prozessparteien oder Dritter eingreift. Andererseits muss es sich wohl auch um einen Entscheid handeln, dem keine rechtlich komplexen Erwägungen zu Grunde liegen, der sich somit quasi von selbst versteht. Wenn Abs. 3 vorsieht, dass solche Entscheide den Parteien in geeigneter Weise zu eröffnen sind, so ist damit wohl eine mündliche Eröffnung gemeint. Unbedenklich ist diese Regelung bei verfahrensleitenden Entscheiden, welche das Gericht anlässlich der Hauptverhandlung fällt und welche zusammen mit dem Urteil anfechtbar sind. Im Verlaufe des Vorverfahrens sollte von dieser Bestimmung lediglich zurückhaltend Gebrauch gemacht werden.

Art. 81 regelt Aufbau und Inhalt von Endentscheiden. Dabei hat man sich auf die bisher beim Bund und in den Kantonen übliche und überwiegend einheitliche Praxis abgestützt.

Art. 82 sieht in zweierlei Hinsicht Erleichterungen an die Begründungspflicht vor. Gemäss Abs. 1 - 3 kann das erstinstanzliche Gericht das Urteil lediglich mündlich begründen, wenn keine Freiheitsstrafe über 2 Jahre, Massnahme nach Art. 59 Abs. 3 oder Verwahrung nach Art. 64 StGB angeordnet wird. Abs. 4 ermöglicht der Rechtsmittelinstanz auf die Begründung der Vorinstanz bezüglich tatsächlicher und rechtlicher Würdigung des angeklagten Sachverhaltes zu verweisen.

Art. 83 sieht die Erläuterung und Berichtigung von Entscheiden vor. Dieses Institut ist auch praktisch sämtlichen bisherigen Strafprozessordnungen bekannt. Die Erläuterung oder Berichtigung kann von Amtes Wegen oder auf Antrag einer Partei angeordnet werden. Im Gegensatz zu einem Rechtsmittel wird damit keine materielle Änderung des Entscheides herbeigeführt. Trotzdem sollte eine Erläuterung oder Berichtigung zeitlich nicht unbeschränkt lange zugelassen werden. Auch wenn Art. 83 keine Frist vorsieht sollte die Erläuterung oder Berichtigung sinnvollerweise lediglich während der Rechtsmittelfrist resp. desselben Zeitraums nach Zustellung der schriftlichen Urteilsbegründung zugelassen werden. Aus Abs. 4, wonach der erläuterte oder berichtigte Entscheid den Parteien eröffnet wird, ist zu folgern, dass diese Eröffnung auch eine neue Rechtsmittelfrist auslöst.

1 Comments:

Anonymous Anonym said...

Dank fur Gottes intiresny

6:30 PM  

Kommentar veröffentlichen

<< Home

kostenloser Counter