Freitag, Dezember 28, 2007

CHStPO: Kommentar zu Art. 49 - 53

Art. 49 Grundsätze
1 Die Staatsanwaltschaften und die Gerichte des Bundes und der Kantone können von den Strafbehörden anderer Kantone oder des Bundes die Durchführung von Verfahrenshandlungen verlangen. Die ersuchte Behörde prüft die Zulässigkeit und die Angemessenheit der verlangten Verfahrenshandlungen nicht.
2 Für die Behandlung von Beschwerden gegen Rechtshilfemass-nahmen sind die Behörden des ersuchenden Kantons oder Bundes zuständig. Bei den Behörden des ersuchten Kantons oder Bundes kann nur die Ausführung der Rechtshilfemassnahme
angefochten werden.

Art. 50 Gesuch um Zwangsmassnahmen
1 Die ersuchende Behörde verlangt Festnahmen mit einem schriftlichen Vorführungsbefehl
2 Die ersuchte Behörde führt festgenommene Personen wenn möglich innert 24 Stunden zu.
3 Gesuche um andere Zwangsmassnahmen werden kurz begründet. In dringenden Fällen kann die Begründung nachgereicht werden.

Art. 51 Teilnahmerecht
1 Die Parteien, ihre Rechtsbeistände und die ersuchende Behörde können an den verlangten Verfahrenshandlungen teilnehmen, soweit dieses Gesetz es vorsieht.
2 Ist eine Teilnahme möglich, so gibt die ersuchte Behörde der ersuchenden Behörde, den Parteien und ihren Rechtsbeiständen Ort und Zeit der Verfahrenshandlung bekannt.

Art. 52 Grundsätze
1 Die Staatsanwaltschaften, Übertretungsstrafbehörden und Gerichte der Kantone und des Bundes sind berechtigt, alle Verfahrenshandlungen im Sinne dieses Gesetzes direkt in einem anderen Kanton anzuordnen und durchzuführen.
2 Die Staatsanwaltschaft des Kantons, in dem die Verfahrenshand-lung durchgeführt werden soll, wird vorgängig benachrichtigt. In dringenden Fällen ist eine nachträgliche Benachrichtigung möglich. Für die Einholung von Auskünften und für Gesuche
um Herausgabe von Akten ist keine Benachrichtigung nötig.
3 Die Kosten der Verfahrenshandlungen und daraus folgende Entschädigungspflichten trägt der durchführende Bund oder Kanton; er kann sie nach Massgabe der Artikel 426 und 427 den Parteien belasten.

Art. 53 Inanspruchnahme der Polizei
Benötigt die ersuchende Behörde für die Durchführung einer Verfahrenshandlung die Unterstützung der Polizei, so richtet sie ein entsprechendes Gesuch an die Staatsanwaltschaft des ersuchten Kantons; diese erteilt der örtlichen Polizei die nötigen Aufträge.


Die Art. 49 - 51 regeln das Verfahren der rechtshilfeweisen Vornahme von Verfahrenshandlungen durch den ersuchten Kanton (Bund) auf seinem Hoheitsgebiet auf Ersuchen des sachlich zuständigen Kantons (Bund). Art. 52 und 53 demgegenüber geben Bund und Kantonen alternativ auch die Möglichkeit, die Verfahrenshandlungen auf fremden Hoheitsgebiet selbst vorzunehmen, falls nötig mit Unterstützung der örtlich zuständigen Polizei. Dem sachlich zuständigen Kanton (Bund) bleibt es freigestellt, welche Variante er wählen will. Der um Rechtshilfe ersuchte Kanton (Bund) hat die Rechtsilfe zu gewähren und kann diese nicht etwa mit der Begründung ablehnen, der ersuchte Kanton (Bund) könne die Verfahrenshandlung ja selbst vornehmen.

Gemäss Art. 49 Abs. 1 hat der ersuchte Kanton (Bund) die Zulässigkeit oder Angemessenheit der Rechtshilfehandlung nicht zu prüfen (s.a. BGE 119 IV 90). Konsequenterweise bestimmt darum Art. 49 Abs. 2 auch, dass für Beschwerden gegen die vom ersuchenden Kanton (Bund) angeordneten Massnahme dessen Beschwerdeinstanz zuständig ist. Die Beschwerdeinstanz des ersuchten Kantons (Bundes) hat lediglich Beschwerden gegen die Art und Weise der Ausführung der Rechtshilfehandlung zu beurteilen (wenn bspw. die konkrete Vorgehensweise der eine Zwangsmassnahme durchführenden Polizeikräfte gerügt wird).

Art. 50 regelt die Rechtshilfe bei Festnahmen und anderen Zwangsmassnahmen. Der rechtshilfeweise Vollzug von Haftbefehlen ist heute in Art. 357 StGB und Art. 21 des Konkordates geregelt. Gemäss Art. 357 Abs. 4 StGB ist die verhaftete Person vor der Zuführung an den ersuchenden Kanton durch die zuständige Behörde zu Protokoll anzuhören. Art. 21 des Konkordates präzisiert, dass dies Anhörung innert 24 Stunden zu erfolgen hat und der verhafteten Person summarisch die Gründe der Verhaftung und die ihr vorgeworfenen strafbaren Handlungen mitzuteilen sind. Demgegenüber sind nun gemäss Art. 50 Abs. 2 der CHStPO Zuführungen möglichst innert 24 Stunden vorzunehmen. Diese kurze Frist erfolgt im Hinblick auf Art. 219 Abs. 4. Gemäss dieser Bestimmung hat die Polizei den vorläufig festgenommenen innert 24 Stunden dem zuständigen Staatsanwalt vorzuführen. Dieser hat den Fesgenommenen gemäss Art. 224 Abs. 1 unverzüglich zu befragen. Im Falle einer Zuführung innert 24 Stunden erübrigt sich eine Befragung durch die Behörden des ersuchten Kantons.

Unter bisherigem Recht beginnen die Haftfristen (die Frist zur Hafteröffnung durch die Staatsanwaltschaft und für den Antrag an den Haftrichter sowie die Frist des Haftrichters innert der er über die Untersuchungshaft zu entscheiden hat) praxisgemäss erst mit der Zuführung in den zuständigen Kanton zu laufen. Dies dürfte nach Inkrafttreten der CHStPO nicht mehr der Fall sein. Art. 50 Abs. 2 i.Vb.m. Art. 224 Abs. 1 und 2 lassen darauf schliessen, dass auch im Falle interkantonaler Zuführung die gleichen Fristen gelten. Dies macht angesichts der geographischen Kleinräumigkeit der Schweiz und des Umstandes, dass mit Inkrafttreten der CHStPO gesamtschweizerisch das gleiche Haftregime gilt auch Sinn.

Art. 51 regelt das Teilnahmerecht der ersuchenden Behörde und der Parteien. Dies hat primär wohl die Wahrung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten im Sinn.

Gemäss Art. 52 ist für die Durchführung von Verfahrenshandlungen in einem anderen Kanton im Gegensatz zur Art. 359 Abs. 1 StGB die Zustimmung dieses Kantons nicht mehr erforderlich (so sieht es eigentlich auch schon das heute geltende Konkordat vor, indem Art. 3 nur noch die Benachrichtigung verlangt). Keine Benachrichtigung ist gemäss Art. 52 Abs. 2 bei Editionsverfügungen erforderlich. Gemäss Abs. 3 sind die Kosten (insb. etwa auch hinsichtlich allf. Entschädigungsansprüche) konsequenterweise vom durchführenden und sachlich zuständigen Kanton zu tragen.

Die Anordnung und Vornahme von Verfahrenshandlungen in einem anderen Kanton ist gemäss dem Wortlaut von Art. 52 Abs. 1 auch den Übertretungsstrafbehörden erlaubt. Diese sind indessen nicht befugt, Ersuchen um Vornahme von Verfahrenshandlungen in anderen Kantonen zu stellen (dies ist gemäss Art. 49 Abs. 1 den Staatsanwaltschaften und Gerichten vorbehalten). M.E. handelt es sich hierbei um ein gesetzgeberisches Versehen. Wenn schon für die Strafverfolgung in Übertretungssachen eigene Behörden geschaffen werden können, sollten diese konsequenterweise auch sämtliche Befugnisse zur Strafverfolgung in Übertretungssachen haben. Zudem ist nicht einzusehen, weshalb die Übertretungstrafbehörden einem anderen Kanton nicht beantragen können, was sie ja sogar selbst in diesem Kanton durchführen könnten.

Gemäss Art. 53 sind ersuchen um Untersützung durch die Polizei eines anderen Kantons an die Staatsanwaltschaft dieses Kantons zu richten. Den Strafverfolgungsbehörden ist es also verwehrt, den Polizeikorps anderer Kantone direkt Aufträge zu erteilen.

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