CHStPO: Kommentar zu Art. 15
Art. 15 Polizei
1 Die Tätigkeit der Polizei von Bund, Kantonen und Gemeinden im Rahmen der Strafverfolgung richtet sich nach diesem Gesetz.
2 Die Polizei ermittelt Straftaten aus eigenem Antrieb, auf Anzeige von Privaten und Behörden sowie im Auftrag der Staatsanwaltschaft; dabei untersteht sie der Aufsicht
und den Weisungen der Staatsanwaltschaft.
3 Ist ein Straffall bei einem Gericht hängig, so kann dieses der Polizei Weisungen und Aufträge erteilen.
Art. 15 befasst sich als erste der in Art. 12 genannten Strafverfolgungsbehörden mit der Polizei. Da ich darüber schon viel geschrieben habe, soll nun an dieser Stelle ein Polizist selbst zu Wort kommen. Stefan Blättler, Dr. iur. und Kommandant der Kantonspolizei Bern hat sich in der Zeitschrift für Strafrecht (ZStrR, Band 125, 2007, S. 242 ff) unter dem Titel "Die Stellung der Polizei im neuen schweizerischen Strafverfahren" zu den Auswirkungen der CHStPO auf die Polizei geäussert. Er äusserte sich u.a. wie folgt:
Zum Verhältnis Polizei-Staatsanwaltschft:
„Die Frage der Stellung der Polizei in einer künftigen vereinheitlichten schweizerischen Strafprozessordnung ist verständlicherweise im Rahmen der Diskussionen über die Ausgestaltung der Strafverfolgung ein zentrales Thema. Es ist mir deshalb erlaubt, einleitend zu meinen Ausführungen, zwei Feststellungen anzubringen:
1. Es ist – auch aus Sicht der Polizei – höchste Zeit, dass die Schweiz über ein einheitliches Strafverfahrensrecht verfügt. Es ist ein Gebot der Stunde, dass alle Strafverfolgungsbehörden dieses Landes nach denselben Verfahrensvorschriften tätig werden.
2. Es wurde viel diskutiert über die Wahl des Strafverfolgungsmodells. Der nun vorliegende Entwurf basiert auf dem Staatsanwaltschaftsmodell. Auch wenn es für jedes System durchaus bedenkenswerte Vor- und Nachteile gibt, stelle ich mich ohne Vorbehalte hinter das Staatsanwaltschaftsmodell. Ich bin überzeugt, dass die Zusammenarbeit zwischen der Polizei und den Staatsanwaltschaften effizient, unkompliziert und der Sache verpflichtet erfolgen kann.
Ich möchte mich deshalb vorab mit Themenkreisen beschäftigen, die aus polizeilicher Sicht im Gesetzgebungsprozess entweder nicht diskutiert oder aber zu wenig berücksichtig worden sind. Dabei ist es interessant, festzustellen, dass die Polizei als Organisation im Entwurf zur Strafprozessordnung nur in relativ wenigen Bestimmungen Eingang gefunden hat. Immerhin bleibt die Feststellung, dass die Polizei gemäss Art. 12 des Entwurfs als eine von drei Strafverfolgungsbehörden bezeichnet wird. Und in Artikel 15 wird ihre Aufgabe konkretisiert. Sie ermittelt Straftaten
- aus eigenem Antrieb,
- auf Anzeige von Privaten und Behörden sowie
- im Auftrag der Staatsanwaltschaft.
Dabei untersteht sie der Aufsicht und den Weisungen der Staatsanwaltschaft. Dies hat natürlich zu gewissen Diskussionen in Polizeikreisen Anlass gegeben. Ist die Polizei nun ein Anhängsel der Staatsanwaltschaft ? Oder bleibt sie selbständig ? Wie verhält es sich mit dem Weisungsrecht der Staatsanwaltschaft ? Hat der Polizeikommandant nichts mehr zu sagen ? Betrachtet man die Angelegenheit nüchtern, bleibt festzustellen, dass mit dem vorgelegten Entwurf einer eidgenössischen Strafprozessordnung die Polizeihoheit der Kantone nicht in Frage gestellt wird. Jeder Kanton bleibt auch in Zukunft für die Gesetzgebung im Polizeibereich zuständig. Die Organisation des Polizeiwesens bleibt somit kantonal.
Die vorgängig etwas provokativ gestellte Fragen ergeben sich aus der Tatsache, dass alle kantonalen Polizeiorganisationen der Schweiz sowohl sicherheitspolizeilich wie gerichtspolizeilich tätig sind. Und die Gewaltenteilung – eine der grossen Errungenschaften des Rechtsstaates – führt dazu, dass die Polizei je nach Tätigkeits-und Aufgabengebiet sowohl der Exekutive, d.h. den Regierungen, wie auch den Justizbehörden Rechenschaft schuldig ist und von ihnen im jeweiligen Zuständigkeitsgebiet entsprechende Weisungen erhalten kann. Und erschwerend kommt die Tatsache dazu, dass vielfach eine Polizeitätigkeit sowohl aufgrund des sicherheitspolizeilichen Auftrags als auch im Lichte gerichtspolizeilicher Verpflichtungen gesehen werden kann. Oder um es elegant auszudrücken: Die Polizei ist Dienerin vieler Herren.“
Zur Dokumentations- und Protokollierungspflicht:
„Diese umfassende Protokollierungspflicht dürfte nebst einem entsprechenden Instruktionsbedarf an die Polizeiangehörigen ein noch nicht abzuschätzendes Mass an Mehraufwand für die Polizei zur Folge haben. Dabei stellt sich auch einerseits die Frage, ab wann diese umfassende Dokumentationspflicht aus strafprozessualer Sicht zwingend wird. Wie ich bereits ausgeführt habe, ist die Polizei ja auch im Grenzbereich zwischen sicherheits- und kriminalpolizeilichen Aufgaben tätig. Vielfach ergibt sich aus Feststellungen eine gewisse nicht definierbare Anzahl von Hinweisen, ohne dass diese sich zu einem konkreten Tatverdacht verdichten, der die Aufnahme eines eigentlichen Ermittlungsverfahrens rechtfertigen würde. Allein schon vom Aufwand, den die Polizei zu betreiben hat, muss davon ausgegangen werden, dass die Pflicht zur Protokollierung und Aktenführung erst dann einsetzen kann, wenn sich ein Tatverdacht erhärtet hat.
Andererseits muss im Rahmen der Protokollierungspflicht dazu Sorge getragen werden, dass polizeitaktische Überlegungen nicht aus den Akten entnommen werden können. Es kann wohl nicht das Ziel des Gesetzgebers sein, Angeschuldigten die Gelegenheit einzuräumen, sich im Rahmen eines Strafverfahrens über polizeiliche Vorgehensweisen und Methoden kundig zu machen, um sch dann gegebenenfalls bei möglichen künftigen Taten daran orientieren zu können.“
Fazit:
„Zusammenfassend und als Fazit darf ich festhalten, dass das neue Eidg. Strafprozessrecht auf die Arbeit der Polizei spürbare Auswirkungen haben wird. Einige dieser Auswirkungen habe ich vorhin kurz skizziert. Dabei dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, dass der Auftrag der Polizei in der Bekämpfung des Verbrechens und nicht bloss in dessen Verwaltung liegt. Dies ist aber nur dann möglich, wenn nicht nur die Polizeiorganisationen der Schweiz untereinander eng zusammenarbeiten, sondern wenn Polizei und Staatsanwaltschaft am selben Strick und in dieselbe Richtung ziehen.“
1 Die Tätigkeit der Polizei von Bund, Kantonen und Gemeinden im Rahmen der Strafverfolgung richtet sich nach diesem Gesetz.
2 Die Polizei ermittelt Straftaten aus eigenem Antrieb, auf Anzeige von Privaten und Behörden sowie im Auftrag der Staatsanwaltschaft; dabei untersteht sie der Aufsicht
und den Weisungen der Staatsanwaltschaft.
3 Ist ein Straffall bei einem Gericht hängig, so kann dieses der Polizei Weisungen und Aufträge erteilen.
Art. 15 befasst sich als erste der in Art. 12 genannten Strafverfolgungsbehörden mit der Polizei. Da ich darüber schon viel geschrieben habe, soll nun an dieser Stelle ein Polizist selbst zu Wort kommen. Stefan Blättler, Dr. iur. und Kommandant der Kantonspolizei Bern hat sich in der Zeitschrift für Strafrecht (ZStrR, Band 125, 2007, S. 242 ff) unter dem Titel "Die Stellung der Polizei im neuen schweizerischen Strafverfahren" zu den Auswirkungen der CHStPO auf die Polizei geäussert. Er äusserte sich u.a. wie folgt:
Zum Verhältnis Polizei-Staatsanwaltschft:
„Die Frage der Stellung der Polizei in einer künftigen vereinheitlichten schweizerischen Strafprozessordnung ist verständlicherweise im Rahmen der Diskussionen über die Ausgestaltung der Strafverfolgung ein zentrales Thema. Es ist mir deshalb erlaubt, einleitend zu meinen Ausführungen, zwei Feststellungen anzubringen:
1. Es ist – auch aus Sicht der Polizei – höchste Zeit, dass die Schweiz über ein einheitliches Strafverfahrensrecht verfügt. Es ist ein Gebot der Stunde, dass alle Strafverfolgungsbehörden dieses Landes nach denselben Verfahrensvorschriften tätig werden.
2. Es wurde viel diskutiert über die Wahl des Strafverfolgungsmodells. Der nun vorliegende Entwurf basiert auf dem Staatsanwaltschaftsmodell. Auch wenn es für jedes System durchaus bedenkenswerte Vor- und Nachteile gibt, stelle ich mich ohne Vorbehalte hinter das Staatsanwaltschaftsmodell. Ich bin überzeugt, dass die Zusammenarbeit zwischen der Polizei und den Staatsanwaltschaften effizient, unkompliziert und der Sache verpflichtet erfolgen kann.
Ich möchte mich deshalb vorab mit Themenkreisen beschäftigen, die aus polizeilicher Sicht im Gesetzgebungsprozess entweder nicht diskutiert oder aber zu wenig berücksichtig worden sind. Dabei ist es interessant, festzustellen, dass die Polizei als Organisation im Entwurf zur Strafprozessordnung nur in relativ wenigen Bestimmungen Eingang gefunden hat. Immerhin bleibt die Feststellung, dass die Polizei gemäss Art. 12 des Entwurfs als eine von drei Strafverfolgungsbehörden bezeichnet wird. Und in Artikel 15 wird ihre Aufgabe konkretisiert. Sie ermittelt Straftaten
- aus eigenem Antrieb,
- auf Anzeige von Privaten und Behörden sowie
- im Auftrag der Staatsanwaltschaft.
Dabei untersteht sie der Aufsicht und den Weisungen der Staatsanwaltschaft. Dies hat natürlich zu gewissen Diskussionen in Polizeikreisen Anlass gegeben. Ist die Polizei nun ein Anhängsel der Staatsanwaltschaft ? Oder bleibt sie selbständig ? Wie verhält es sich mit dem Weisungsrecht der Staatsanwaltschaft ? Hat der Polizeikommandant nichts mehr zu sagen ? Betrachtet man die Angelegenheit nüchtern, bleibt festzustellen, dass mit dem vorgelegten Entwurf einer eidgenössischen Strafprozessordnung die Polizeihoheit der Kantone nicht in Frage gestellt wird. Jeder Kanton bleibt auch in Zukunft für die Gesetzgebung im Polizeibereich zuständig. Die Organisation des Polizeiwesens bleibt somit kantonal.
Die vorgängig etwas provokativ gestellte Fragen ergeben sich aus der Tatsache, dass alle kantonalen Polizeiorganisationen der Schweiz sowohl sicherheitspolizeilich wie gerichtspolizeilich tätig sind. Und die Gewaltenteilung – eine der grossen Errungenschaften des Rechtsstaates – führt dazu, dass die Polizei je nach Tätigkeits-und Aufgabengebiet sowohl der Exekutive, d.h. den Regierungen, wie auch den Justizbehörden Rechenschaft schuldig ist und von ihnen im jeweiligen Zuständigkeitsgebiet entsprechende Weisungen erhalten kann. Und erschwerend kommt die Tatsache dazu, dass vielfach eine Polizeitätigkeit sowohl aufgrund des sicherheitspolizeilichen Auftrags als auch im Lichte gerichtspolizeilicher Verpflichtungen gesehen werden kann. Oder um es elegant auszudrücken: Die Polizei ist Dienerin vieler Herren.“
Zur Dokumentations- und Protokollierungspflicht:
„Diese umfassende Protokollierungspflicht dürfte nebst einem entsprechenden Instruktionsbedarf an die Polizeiangehörigen ein noch nicht abzuschätzendes Mass an Mehraufwand für die Polizei zur Folge haben. Dabei stellt sich auch einerseits die Frage, ab wann diese umfassende Dokumentationspflicht aus strafprozessualer Sicht zwingend wird. Wie ich bereits ausgeführt habe, ist die Polizei ja auch im Grenzbereich zwischen sicherheits- und kriminalpolizeilichen Aufgaben tätig. Vielfach ergibt sich aus Feststellungen eine gewisse nicht definierbare Anzahl von Hinweisen, ohne dass diese sich zu einem konkreten Tatverdacht verdichten, der die Aufnahme eines eigentlichen Ermittlungsverfahrens rechtfertigen würde. Allein schon vom Aufwand, den die Polizei zu betreiben hat, muss davon ausgegangen werden, dass die Pflicht zur Protokollierung und Aktenführung erst dann einsetzen kann, wenn sich ein Tatverdacht erhärtet hat.
Andererseits muss im Rahmen der Protokollierungspflicht dazu Sorge getragen werden, dass polizeitaktische Überlegungen nicht aus den Akten entnommen werden können. Es kann wohl nicht das Ziel des Gesetzgebers sein, Angeschuldigten die Gelegenheit einzuräumen, sich im Rahmen eines Strafverfahrens über polizeiliche Vorgehensweisen und Methoden kundig zu machen, um sch dann gegebenenfalls bei möglichen künftigen Taten daran orientieren zu können.“
Fazit:
„Zusammenfassend und als Fazit darf ich festhalten, dass das neue Eidg. Strafprozessrecht auf die Arbeit der Polizei spürbare Auswirkungen haben wird. Einige dieser Auswirkungen habe ich vorhin kurz skizziert. Dabei dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, dass der Auftrag der Polizei in der Bekämpfung des Verbrechens und nicht bloss in dessen Verwaltung liegt. Dies ist aber nur dann möglich, wenn nicht nur die Polizeiorganisationen der Schweiz untereinander eng zusammenarbeiten, sondern wenn Polizei und Staatsanwaltschaft am selben Strick und in dieselbe Richtung ziehen.“
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