Samstag, Oktober 13, 2007

CHStPO: Kommentar zu Art. 4/14

Art. 4 Unabhängigkeit
1 Die Strafbehörden sind in der Rechtsanwendung unabhängig und allein dem Recht verpflichtet.
2 Gesetzliche Weisungsbefugnisse nach Artikel 14 gegenüber den
Strafverfolgungsbehörden bleiben vorbehalten.

Art. 14 Bezeichnung und Organisation der Strafbehörden
1 Bund und Kantone bestimmen ihre Strafbehörden und deren Bezeichnungen.
2 Sie regeln Wahl, Zusammensetzung, Organisation und Befugnisse der Strafbehörden, soweit dieses Gesetz oder andere Bundesgesetze dies nicht abschliessend regeln.
3 Sie können Ober- oder Generalstaatsanwaltschaften vorsehen.
4 Sie können mehrere gleichartige Strafbehörden einsetzen und bestimmen für diesen Fall den jeweiligen örtlichen und sachlichen Zuständigkeitsbereich;
ausgenommen sind die Beschwerdeinstanz und das Berufungsgericht.
5 Sie regeln die Aufsicht über ihre Strafbehörden.


Art. 4 und Art. 14 regeln die Organisation der Strafbehörden (Strafverfolgungsbehörden, Strafgerichte). Aufgrund des engen thematischen Zusammenhanges erfolgt die Kommentierung dieser beiden Bestimmungen zusammen.

Art. 4 garantiert die Unabhängigkeit der Strafbehörden in der Rechtsanwendung. In organisatorischer und disziplinarischer Hinsicht ist es indessen zulässig, eine staatliche Instanz mit einer Weisungsbefugnis g.ü. den Strafbehörden auszustatten. Die Weisungsbefugnis in administrativer Hinsicht ist jedoch in einem Gesetz festzulegen. Solche Weisungen können dazu dienen, die administrative Aufsicht zu konkretisieren (s. Botschaft, BBl 2006, S.1129).

Was die Unabhängigkeit der Strafgerichte anbelangt, ist diese bereits in höherrangigen Rechtserlassen festgeschrieben (Art. 30 Abs. 1 BV, Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 14 Abs. 1 IPBPR {Internationaler Pakt vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte }). Demgegenüber sind die Staatsanwaltschaften nach herkömmlichem Verständnis Teil der Verwaltung. Die Unabhängigkeit des Staatsanwalts in der Rechtsanwendung ist somit keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Umso begrüssenswerter ist es, wenn die CHStPO nun auch die staatsanwaltliche Unabhängigkeit explizit verankert.

Die Kantone sind gemäss Art. 14 Abs. 5 frei in der Gestaltung der Aufsicht über die Strafbehörden. Die Frage, wer die Staatsanwälte zu beaufsichtigen hat, wird beim Bund derzeit mit viel Emotionen diskutiert und ist daher von einer gewissen Brisanz. Im Vordergrund stehen wohl zwei Lösungsansätze: die Aufsicht durch den Justizminister (oder die Gesamtregierung) birgt die Gefahr der Einmischung politisch besetzter Behörden in den Gang der Strafjustiz in sich. Auf der anderen Seite ist die Aufsicht durch gerichtliche Instanzen auch nicht ganz unproblematisch, zumindest, wenn es um gerichtliche Instanzen geht, die gleichzeitig im Bereiche der Strafjustiz tätig sind. In diesem Fall könnte wiederum die richterliche Unabhängigkeit gefährdet sein, wenn etwa ein Gericht über einen Straffall zu urteilen hat, welches gleichzeitig die administrative Aufsicht über die Staatsanwaltschaft innehat. Einig ist man sich in der aktuellen Diskussion beim Bund wohl dahingehend, dass die geteilte Aufsicht (in fachlicher und administrativer Hinsicht) wohl nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Wie schwer die Trennung zwischen fachlicher und administrativer Aufsicht im Einzelfall sein kann, hat sich gerade im Falle des früheren Bundesanwaltes gezeigt. Da die „fachliche Beurteilung“ der Arbeit des Staatsanwaltes in einem konkreten Fall notwendigerweise durch die in diesem Fall urteilenden Gerichte zu erfolgen hat, kann man sich mit Fug und Recht fragen, inwiefern darüber hinaus denn überhaupt noch Raum für eine generelle fachliche Aufsicht durch eine gerichtliche Behörde besteht.

Eine neue Idee hinsichtlich Beaufsichtigung der Bundesanwaltschaft wurde heute publik. Sie stammt vom neuen Bundesanwalt Erwin Beyeler. Dieser schlägt vor, die Bundesanwaltschaft durch ein gemischt zusammengesetztes Fachinspektorat (mit Angehörigen des Bundesstrafgerichtes, des EJPD und des Parlamentes) zu beaufsichigen. Diese Idee ist sicher prüfenswert.

3 Comments:

Anonymous Anonym said...

Dans le prolongement de l'idée émise par Monsieur Bayeler, je pense que la création d'un Conseil supérieur de la magistrature pour les autorités judiciaires fédérales (Tribunal fédéral et Ministère public de la Confédération compris) mériterait d'être examinée. Une telle autorité existe déjà dans certains cantons dont Genève. Cette autorité serait indépendante et exercerait une surveillance "déontologique"; elle pourrait notamment prononcer certaines sanctions (par exemple, un blâme).
La surveillance "judiciaire" ne peut selon moi être exercée que par les autorités de recours.
Quant à la surveillance dite "administrative", je ne comprends pas de quoi il s'agit. S'il s'agit de la surveillance financière, elle peut très bien être exercée par le Contrôle fédéral des finances (EFK).
Cela présuppose que l'on reconnaisse finalement l'indépendance du Ministère public de la Confédération par rapport au pouvoir exécutif.

Je reviendrai dans le commentaire sur l'article 19 sur l'épineuse question de savoir le maintien du jury (Geschworenengericht) tel qu'il existe dans plusieur cantons sera ou non possible.

2:40 PM  
Blogger labeo said...

Lieber genavensis
Ihre fleissigen und meist treffenden Kommentare freuen mich ganz besonders. Sie führen dazu, dass der Labeo-Kommentar zur CHStPO nicht nur interaktiv sondern auch mehrsprachig wird. Machen Sie bitte weiter so! Wer weiss, vielleicht schliesst sich auch bald noch ein italienisch sprechender Kommentator an. Wäre doch schön ;=)

11:04 PM  
Anonymous Anonym said...

Cher Labeo,
Merci pour votre message et bravo pour votre excellente initiative de lancer le premier commentaire interactif de l'histoire du droit suisse!
Italofoni vi aspettiamo!
J'espère pouvoir tenir le rhytme de votre calendrier de l'Avent, mais cela ne va pas être facile ;-)

9:47 AM  

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