Dienstag, Oktober 30, 2007

CHStPO: Kommentar zu Art. 12 und 13

Art. 12 Strafverfolgungsbehörden
Strafverfolgungsbehörden sind:
a. die Polizei;
b. die Staatsanwaltschaft;
c. die Übertretungsstrafbehörden.

Art. 13 Gerichte
Gerichtliche Befugnisse im Strafverfahren haben:
a. das Zwangsmassnahmengericht;
b. das erstinstanzliche Gericht;
c. die Beschwerdeinstanz;
d. das Berufungsgericht.


Der 2. Titel der CHStPO ist den Strafbehörden gewidmet. In der Terminologie der CHStPO wird Strafbehörden als Oberbegriff verwendet für die in Art. 12 genannten Strafverfolgungsbehörden und die in Art. 13 bezeichneten Strafgerichte. Art. 13 verpflichtet die Kantone insbesondere zur Schaffung von sog. Zwangsmassnahmegerichten. Die Tage, da ein Untersuchungsrichter oder Staatsanwalt gleich selbst über die Verhaftung des Beschuldigten entscheidet sind somit endgültig gezählt.

Art. 12 bezeichnet die Polizei explizit als Strafverfolgungsbehörde. Dies ist lediglich auf den ersten Blick selbstverständlich. Die CHStPO unterscheidet im sog. Vorverfahren zwischen dem polizeilichen Ermittlungsverfahren (Art. 306 f) und der eigentlichen Strafuntersuchung (Art. 308 ff). Letztere wird gemäss Art. 309 dann eröffnet, wenn ein hinreichender Tatverdacht besteht, wenn die Staatsanwaltschaft Zwangsmassnahmen anordnet oder wenn die Polizei die Staatsanwaltschaft gemäss Art. 307 Abs. 1 informiert, was lediglich bei schweren Straftaten unverzüglich zu erfolgen hat. Aus diesen Bestimmungen erhellt, dass es eben auch einen Bereich selbständiger polizeilicher Ermittlungen gibt, welche die Polizei führt, ohne dass schon ein Strafverfahren eröffnet wurde.

Art. 15 (wie auch Art. 306 Abs. 3) bestimmt nun, dass die Polizei auch bei diesen sog. selbständigen Ermittlungen sich nach der StPO zu richten hat. Mit anderen Worten regelt also die Strafprozessordnung nicht nur die Strafuntersuchung. Es handelt sich bei der CHStPO vielmehr um ein Strafverfahrensrecht im weiteren Sinne, welches sämtliche Vorgehnsweisen von Polizei und Staatsanwaltschaft umfasst, die der Abklärung und Beurteilung von Straftaten nach dem StGB und der Nebenstrafgesetzgebung dienen. Dies war bis anhin in der Strafverfolgungspraxis nicht immer so klar.

Die CHStPO enthält denn auch einige Bestimmungen, die die Verhaltensweise der Polizei und ihr Verhältnis zur Staatsanwaltschaft regeln, welche in Polizeikreisen für Aufsehen oder gar Unbehagen sorgten. So bestimmt etwa Art. 15 Abs. 2 klipp und klar, dass die Polizei der Aufsicht und den Weisungen der Staatsanwaltschaft untersteht. Diese Bestimmung hat im Vorfeld der parlamentarischen Beratungen bei manchem Polizeikommandanten zu gewissen Existenzängsten geführt. Auch in anderen Bereichen führt die CHStPO zu nicht ganz unbedeutenden Verschiebungen der Zuständigkeiten im Verhältnis Polizei und Staatsanwaltschaft. So kann bspw. gemäss Art. 286 ff nur noch der Staatsanwalt eine verdeckte Ermittlung anordnen, während gemäss heutigem BVE diese Befugnis auch dem Polizeikommando zusteht. Gemäss Art. 282 Abs. 2 hat die Polizei bei einer Observation, welche einen Monat gedauert hat, die Genehmigung des Staatsanwaltes einzuholen, wenn sie sie fortsetzen will. Abs. 1 geht vom Wortlaut her offenbar sogar von der Vorstellung aus, dass der Staatsanwalt im Rahmen einer Strafuntersuchung die Observation selbst vornimmt. Sehen wir wohl künftig Staatsanwälte mit Richtmikrofonen und Feldstechern ausgerüstet hinter Büschen sitzen ? Wohl kaum.

Gewöhnungsbedürftig werden für die Polizei auch die rigiden Dokumentationspflichten der CHStPO sein. Gemäss Art. 76 Abs. 1 sind sämtliche Verfahrenshandlungen, welche nicht schriftlich durchgeführt werden, zu protokollieren. Diese Bestimmung richtet sich selbstredend auch auf das polizeiliche Ermittlungsverfahren. So wird bspw. über jede Observation ein Protokoll zu erstellen sein. Art. 307 Abs. 3 verpflichtet die Polizei explizit sämtliche Feststellungen und Massnahmen laufend in schriftlichen Berichten festzuhalten. Diese sind nach Abschluss der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zuzustellen und kommen in die Akten. Ausnahmen sind gemäss Art. 307 Abs. 4 nur in sehr beschränktem Ausmass zulässig. Selbstverständlich kommen all die von der Polizei zu erstellenden Protokolle und Berichte zu den Akten. Die Ermittlungshandlungen der Polizei werden somit künftig wesentlich transparenter zu dokumentieren sein als dies heute der Fall ist. Was einerseits der Rechtsstaatlichkeit des polizeilichen Handelns dient, wird andererseits natürlich auch Angriffsflächen schaffen. Jedenfalls wird sich der Polizeialltag unter der CHStPO gegenüber heute wohl nicht ganz unwesentlich verändern.

Etwas provokativ und nicht ganz ernst gemeint, kann man die Frage aufwerfen, ob damit nicht auch die Machtverhältnisse zwischen Polizei und Straftätern zugunsten letzterer verschoben werden, unterliegen diese doch nach wie vor keiner Dokumentationspflicht hinsichtlich ihrer Straftaten. Zu protokollieren sind nämlich gemäss Art. 76 lediglich Verfahrenshandlungen und nicht die Handlungen, die Anlass geben zur Eröffnung von Verfahren, auch wenn natürlich die Ausdehnung der Dokumentationspflicht auf die Verfahrensverursacher letztendlich das Strafverfahren ungeheuer erleichtern würde.

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