Sonntag, Dezember 02, 2007

CHStPO: Kommentar zu Art. 33 - 38

Art. 33 Gerichtsstand im Falle mehrerer Beteiligter
1 Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Straftat werden von den gleichen Behörden verfolgt und beurteilt wie die Täterin oder der Täter.
2 Ist eine Straftat von mehreren Mittäterinnen oder Mittätern verübt worden, so sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind.

Art. 34 Gerichtsstand bei mehreren an verschiedenen Orten
verübten Straftaten
1 Hat eine beschuldigte Person mehrere Straftaten an verschiedenen Orten verübt, so sind für die Verfolgung und Beurteilung sämtlicher Taten die Behörden des Ortes zuständig, an dem die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat begangen worden ist.
Bei gleicher Strafdrohung sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden
sind.
2 Ist in einem beteiligten Kanton im Zeitpunkt des Gerichtsstandsverfahrens nach den Artikeln 39–42 wegen einer der Straftaten schon Anklage erhoben worden, so werden die Verfahren getrennt geführt.
3 Ist eine Person von verschiedenen Gerichten zu mehreren gleichartigen Strafen verurteilt worden, so setzt das Gericht, das die schwerste Strafe ausgesprochen hat, auf Gesuch der verurteilten Person eine Gesamtstrafe fest.

Art. 35 Gerichtsstand bei Straftaten durch Medien
1 Bei einer in der Schweiz begangenen Straftat nach Artikel 28 StGB sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem das Medienunternehmen seinen Sitz hat.
2 Ist die Autorin oder der Autor bekannt und hat sie oder er den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz, so sind auch die Behörden des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthaltsortes zuständig. In diesem Falle wird das Verfahren dort durchgeführt, wo zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind. Bei Antragsdelikten kann die antragstellende Person zwischen den beiden Gerichtsständen wählen.
3 Besteht kein Gerichtsstand nach den Absätzen 1 und 2, so sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem das Medienerzeugnis verbreitet worden ist. Erfolgt die Verbreitung an mehreren Orten, so sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind.

Art. 36 Gerichtsstand bei Betreibungs- und Konkursdelikten
und bei Strafverfahren gegen Unternehmen
1 Bei Straftaten nach den Artikeln 163–171bis StGB sind die Behörden am Wohnsitz, am gewöhnlichen Aufenthaltsort oder am Sitz der Schuldnerin oder des Schuldners zuständig.
2 Für Strafverfahren gegen das Unternehmen nach Artikel 102 StGB sind die Behörden am Sitz des Unternehmens zuständig. Dies gilt ebenso, wenn sich das Verfahren wegen des gleichen Sachverhalts auch gegen eine für das Unternehmen handelnde Person richtet.
3 Fehlt ein Gerichtsstand nach den Absätzen 1 und 2, so bestimmt er sich nach den Artikeln 31–35.

Art. 37 Gerichtsstand bei selbstständigen Einziehungen
1 Selbstständige Einziehungen (Art. 376–378) sind an dem Ort durchzuführen, an dem sich die einzuziehenden Gegenstände oder Vermögenswerte befinden.
2 Befinden sich die einzuziehenden Gegenstände oder Vermögenswerte in mehreren Kantonen und stehen sie auf Grund der gleichen Straftat oder der gleichen Täterschaft in Zusammenhang, so sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem das Einziehungsverfahren zuerst eröffnet worden ist.

Art. 38 Bestimmung eines abweichenden Gerichtsstands
1 Die Staatsanwaltschaften können untereinander einen anderen als den in den Artikeln 31–37 vorgesehenen Gerichtsstand vereinbaren, wenn der Schwerpunkt der deliktischen Tätigkeit oder die persönlichen Verhältnisse der beschuldigten Person es erfordern oder andere triftige Gründe vorliegen.
2 Zur Wahrung der Verfahrensrechte einer Partei kann die Beschwerdeinstanz des Kantons auf Antrag dieser Partei oder von Amtes wegen nach Erhebung der Anklage die Beurteilung in Abweichung der Gerichtsstandsvorschriften dieses Kapitels einem andern sachlich zuständigen erstinstanzlichen Gericht des Kantons zur Beurteilung überweisen.


Art. 33 übernimmt, mit einigen redaktionellen Änderungen, den heutigen Art. 343 StGB. Im Übrigen wiederholt Art. 33 den bereits in Art. 29 Abs. 1 im sog. "Binnenverhältnis" aufgestellten Grundsatz, dass strafbare Handlungen mehrerer an der Tat beteiligter Täter (als Mittäter oder Teilnehmer) gemeinsam zu beurteilen sind.

Abs. 2 legt den "forum präventionis" fest, wiederum mit der Modifikation, dass statt auf Untersuchungshandlungen auf Verfolgungshandlungen abzustellen ist. Gemeint ist der Fall, wo mehrere Mittäter eine Tat - oder mehrere Taten - an mehreren Orten verüben. Ansonsten würde sich die Gerichtsstandsfrage ja gar nicht stellen.

Art. 34 übernimmt den jetzigen Art. 344 StGB.

Abs. 1 befasst sich mit der Konstellation, wo ein Täter mehrere Delikte an verschiedenen Orten verübt hat. Zuständig sind die Behörden am Ort der Tat, welche mit der schwersten Strafe bedroht ist. Bei der Bestimmung des "schwersten Deliktes" ist primär auf die angedrohte Höchststrafe abzustellen. Bei gleicher Höchststrafe auf die Höhe der angedrohten Mindesstrafe. Dabei sind qualifizierende und privilegierende Tatumstände des besonderen Teils des StGB zu berücksichtigen. Massgebend sind diejenigen Delikte, welche dem Beschuldigten durch die jeweilige Strafverfolgungsbehörde im Zeitpunkt der Bestimmung des Gerichtsstandes vorgeworfen werden, also das was in diesem Zeitpunkt Prozessgegenstand ist. Abzuweichen vom Vorhalt der jeweiligen Strafverfolgungsbehörde ist lediglich, wenn dieser offensichtlich haltlos ist. Es gilt zudem der Grundsatz "in dubio pro duriore", d.h. wenn Unklarheit besteht, ob der vorgeworfene Sachverhalt diesen oder jenen Tatbestand erfüllt, so ist im Zweifel auf den Tatbestand mit der schwereren Strafdrohung abzustellen: BG.2006.20.

Bei der Bestimmung der "schwersten Tat" sind ebenso objektive Strafmilderungsgründe zu berücksichtigen (wie etwa derjenige der lediglich versuchten Tatbegehung: BK_G 031/04). Nicht zu berücksichtigen ist indes der Strafschärfungsgrund der mehrfachen Tatbegehung: BK_G 092/04.

Hat der Täter an verschiedenen Orten mehrere Delikte verübt, welche jeweils mit der gleichen Strafe bedroht sind, so kommt wiederum der "forum präventionis" zur Anwendung.

Eine materielle Änderung der Rechtslage bewirkt der Abs. 2 von Art. 34. Gemäss dieser Bestimmung sind Verfahren dann nicht mehr zu vereinigen, wenn bereits Anklage erhoben wurde. Bisher hat das Bundesgericht diesen Zeitpunkt auf den Erlass des erstinstanzlichen Urteils hinausgeschoben. Die Vorverschiebung des Termins, an welchem eine Vereinigung nicht mehr in Frage kommt ist sachgerecht. Ansonsten würde sich das Hauptverfahren dadurch verzögern, dass es noch mit Verfahren zu vereinigen ist, welche allenfalls gar noch nicht anklagereif sind.

Abs. 3 stellt ein nachträgliches Korrektiv dar, für den Fall, dass aus irgendwelchen Gründen Art. 49 StGB nicht eingehalten wurde.

Es stellt sich nun noch die Frage, wie zu verfahren ist, wenn von mehreren an einer oder mehreren Taten beteiligten Tätern (oder Teilnehmern) ein oder mehrere Mittäter neben der oder den gemeinsam verübten Tat(en) noch anderweitig delinquiert hat. In diesem Fall sind die Grundsätze der Art. 33 und 34 zu kombinieren. Das heisst, dass derjenige Kanton zur Beurteilung sämtlicher Taten zuständig ist, in welchem einer der Mittäter das mit der schwersten Strafe bedrohte Delikt begangen hat resp. bei gleicher Strafdrohung derjenige Kanton, der zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen hat (BG.2006.12)

Art. 35, welcher den Gerichtsstand bei strafbaren Handlungen durch Medien regelt, übernimmt inhaltlich den jetzigen Art. 341 StGB. In diesem Zusammenhang werden auch die Absätze 2 und 3 des jetzigen Art. 356 StGB ersatzlos gestrichen. Das heisst im Endeffekt, dass ein Kanton einem anderen die Auslieferung des Beschuldigten nicht mehr mit der Begründung verweigern darf, dass es um die Verfolgung von politischen Delikten oder durch die Medien begangenen Delikten geht. Aus diesem Grund ist auch Art. 341 Abs. 3 StGB zu streichen (s. hiezu Botschaft, BBl 2006, S. 1142 f).

Art. 36 legt den Gerichtsstand bei Betreibungs- und Konkursdelikten sowie bei strafbaren Handlungen durch Unternehmen fest. Dabei wird die heutige Praxis übernommen.

Art. 37 übernimmt den heutigen Art. 344a StGB.

Art. 38 lässt die Bestimmung eines von den vorstehend beschriebenen Regeln abweichenden Gerichtsstandes zu. Hiezu können sich die zuständigen Staatsanwaltschaften einigen (Abs. 1). Nach Anklageerhebung ist die Beschwerdekammer zuständig (Abs. 2). Diese Möglichkeit besteht bereits gemäss den heutigen Art. 262 und 263 BStP, jeweils Abs. 3. Das Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand soll die Ausnahme bleiben, sich auf triftige Gründe stützen und der Beschleunigung des Verfahrens oder der Prozessökonomie dienen. Die Überlegungen zur Unzweckmässigkeit des gesetzlichen Gerichtsstandes müssen sich gebieterisch aufdrängen (BG.2005.9).

kostenloser Counter