CHStPO: Kommentar zu Art. 56
6. Kapitel: Ausstand
Art. 56 Ausstandsgründe
Eine in einer Strafbehörde tätige Person tritt in den Ausstand, wenn sie:
a. in der Sache ein persönliches Interesse hat;
b. in einer anderen Stellung, insbesondere als Mitglied einer Behörde, als Rechtsbeistand einer Partei, als Sachverständige oder Sachverständiger, als Zeugin oder Zeuge, in der gleichen Sache tätig war;
c. mit einer Partei, ihrem Rechtsbeistand oder einer Person, die in der gleichen Sache als Mitglied der Vorinstanz tätig war, verheiratet ist, in eingetragener Partnerschaft lebt oder eine faktische Lebensgemeinschaft führt;
d. mit einer Partei in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis und mit dem dritten Grad verwandt oder verschwägert ist;
e. mit dem Rechtsbeistand einer Partei oder einer Person, die in der gleichen Sache als Mitglied der Vorinstanz tätig war, in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis und mit dem zweiten Grad verwandt oder verschwägert ist;
f. aus anderen Gründen, insbesondere wegen Freundschaft oder Feindschaft mit einer Partei oder deren Rechtsbeistand, befangen sein könnte.
Art. 56 fasst unter dem Begriff Ausstandsgründe einerseits die in der Prozessliteratur gemeinhin als Ausschlussgründe bezeichneten (darunter fallen hier lit. b - e), andererseits die sog. Ablehnungsgründe (darunter fallen hier die lit. a und f) zusammen. Der Unterschied besteht darin, dass die Ausschlussgründe die betroffene Justizperson generell von der Ausübung ihres Amtes in einem bestimmten Fall ausschliessen. Der betroffene Beamte hat von sich aus in den Ausstand zu treten, auch wenn kein entsprechendes Begehren einer Partei gestellt wird. Bei den Ablehnungsgründen hingegen hat sich der betroffene Beamte lediglich dann in den Ausstand zu begeben, wenn er von einer Partei erfolgreich abgelehnt wurde (s. Botschaft, BBl 2006, S. 1148 und BGE 126 III 249). Die Ausschlussgründe sind objektiver Natur und liegen in der (äusseren) Stellung des betroffenen Beamten begründet (Vorbefassung oder eheliche, eheähnliche oder verwandtschaftliche Beziehung zu den Prozessparteien). Demgegenüber beschlagen die Ablehnungsgründe die sog. "innere Unabhängigkeit" des betroffenen Beamten und sind relativer Natur.
Das Recht, einen Justizbeamten abzulehnen oder auszuschliessen ist eine Folge des verfassungsmässigen Anspruchs auf einen unabhängigen und unparteiischen Richter(Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 30 Abs. 1 BV).
Lit.a: Abgesehen von den in Lit. c - e genannten Fällen, bei denen eine besondere Beziehung zwischen dem Justizbeamten und einer Prozesspartei besteht, kann man sich im Strafverfahren nur schwer eine Konstellation vorstellen, wo ein Mitglied einer Strafbehörde in der Sache ein persönliches Interesse hat. Dies wäre in den in der Praxis wohl kaum je vorkommenden Konstellationen der Fall, in denen ein Richter oder Staatsanwalt selbst in die zu beurteilende Straftat verwickelt ist (sei es als Teilnehmer oder Geschädigter). So kann etwa aus dem Umstand, dass eine Richterin in einem Schändungsprozess sich für feministische Anliegen engagiert, keine Befangenheit abgeleitet werden (BGE 118 Ia 282).
Lit. b normiert den Ausstandsgrund der Vorbefassung. Ein Justizbeamter kann dann befangen sein, wenn er in der gleichen Sache in anderer Stellung bereits tätig war. Die verschiedenen Funktionen, welche in lit. b erwähnt werden, sind lediglich exemplarisch und nicht abschliessend. Zu diesem Ausstandsgrund existiert eine reichhaltige und auch kasuistische Rechtsprechung. Demgemäss besteht etwa in folgenden Fällen eine unzulässige Vorbefassung:
- Richter war in derselben Sache vorher als Staatsanwalt tätig und nahm Untersuchungshandlungen vor (Schmid, Strafprozessrecht, 4. A., S. 44 f, Rz. 134 mit weiteren Beispielen)
- urteilender Sachrichter hat vorher über die Anklagezulassung entschieden (BGE 114 Ia 50)
- unzulässig ist generell die Personalunion von urteilendem und untersuchendem Richter (BGE 113 Ia 72 )
- Unvereinbarkeit der Funktion als Haftrichter mit der Funktion als Ankläger (Entscheid des EuGMR v. 23.10.1990, Jutta Huber gegen die Schweiz)
Keine generell unzulässige Vorbefassung liegt bei folgenden Konstellationen vor:
- Sachrichter, der in der gleichen Sache bereits als Haftrichter amtete (BGE 117 Ia 182)
- Revisionsrichter, der in der gleichen Sache bereits früher in der Sache entschied (BGE 113 Ia 62)
- Sachrichter, der nach Rückweisung durch die Rechtsmittelinstanz erneut urteilt (113 Ia 407)
- ebenfalls keine unzulässige Vorbefasstheit des Richters, der bereits früher bezüglich desselben Sachverhaltes ein Urteil gegen Mittäter fällte (BGE 115 Ia 34)
- der Referent, der vor der Hauptverhandlung einen schriftlichen Urteilsantrag ausarbeitete ist nicht vorbefasst (ZR 86 Nr. 87)
- auch nicht der Präsident eines Kollegialgerichtes, der nach einer ersten summarischen Sichtung dem betroffenen Beschwerdeführer den Rückzug des Rechtsmittels empfahl (SOG 2000 Nr. 31)
Lit. f: Nach konstanter Rechtsprechung braucht ein Richter oder sonstiger Justizbeamter, damit er wegen Befangenheit abgelehnt werden kann, nicht tatsächlich befangen zu sein. Es genügt, dass Umstände vorliegen, die den Anschein der Befangenheit und die Gefahr der Voreingenommenheit objektiv zu rechtfertigen vermögen (BGE 115 Ia 180). Nicht ausreichend ist das lediglich subjektive Empfinden einer Partei, der Beamte sei befangen. So ist bspw. einem Richter nicht verboten, sich in seiner Freizeit politisch zu betätigen und sich zu politischen Fragen engagiert zu äussern. Ein Richter ist jedoch dann befangen, wenn er sich im Vorfeld eines Prozesses zu einem konkreten Ereignis und deren Beurteilung äusserte, das er nachher zu beurteilen hatte (BGE 108 Ia 48).
Art. 56 Ausstandsgründe
Eine in einer Strafbehörde tätige Person tritt in den Ausstand, wenn sie:
a. in der Sache ein persönliches Interesse hat;
b. in einer anderen Stellung, insbesondere als Mitglied einer Behörde, als Rechtsbeistand einer Partei, als Sachverständige oder Sachverständiger, als Zeugin oder Zeuge, in der gleichen Sache tätig war;
c. mit einer Partei, ihrem Rechtsbeistand oder einer Person, die in der gleichen Sache als Mitglied der Vorinstanz tätig war, verheiratet ist, in eingetragener Partnerschaft lebt oder eine faktische Lebensgemeinschaft führt;
d. mit einer Partei in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis und mit dem dritten Grad verwandt oder verschwägert ist;
e. mit dem Rechtsbeistand einer Partei oder einer Person, die in der gleichen Sache als Mitglied der Vorinstanz tätig war, in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis und mit dem zweiten Grad verwandt oder verschwägert ist;
f. aus anderen Gründen, insbesondere wegen Freundschaft oder Feindschaft mit einer Partei oder deren Rechtsbeistand, befangen sein könnte.
Art. 56 fasst unter dem Begriff Ausstandsgründe einerseits die in der Prozessliteratur gemeinhin als Ausschlussgründe bezeichneten (darunter fallen hier lit. b - e), andererseits die sog. Ablehnungsgründe (darunter fallen hier die lit. a und f) zusammen. Der Unterschied besteht darin, dass die Ausschlussgründe die betroffene Justizperson generell von der Ausübung ihres Amtes in einem bestimmten Fall ausschliessen. Der betroffene Beamte hat von sich aus in den Ausstand zu treten, auch wenn kein entsprechendes Begehren einer Partei gestellt wird. Bei den Ablehnungsgründen hingegen hat sich der betroffene Beamte lediglich dann in den Ausstand zu begeben, wenn er von einer Partei erfolgreich abgelehnt wurde (s. Botschaft, BBl 2006, S. 1148 und BGE 126 III 249). Die Ausschlussgründe sind objektiver Natur und liegen in der (äusseren) Stellung des betroffenen Beamten begründet (Vorbefassung oder eheliche, eheähnliche oder verwandtschaftliche Beziehung zu den Prozessparteien). Demgegenüber beschlagen die Ablehnungsgründe die sog. "innere Unabhängigkeit" des betroffenen Beamten und sind relativer Natur.
Das Recht, einen Justizbeamten abzulehnen oder auszuschliessen ist eine Folge des verfassungsmässigen Anspruchs auf einen unabhängigen und unparteiischen Richter(Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 30 Abs. 1 BV).
Lit.a: Abgesehen von den in Lit. c - e genannten Fällen, bei denen eine besondere Beziehung zwischen dem Justizbeamten und einer Prozesspartei besteht, kann man sich im Strafverfahren nur schwer eine Konstellation vorstellen, wo ein Mitglied einer Strafbehörde in der Sache ein persönliches Interesse hat. Dies wäre in den in der Praxis wohl kaum je vorkommenden Konstellationen der Fall, in denen ein Richter oder Staatsanwalt selbst in die zu beurteilende Straftat verwickelt ist (sei es als Teilnehmer oder Geschädigter). So kann etwa aus dem Umstand, dass eine Richterin in einem Schändungsprozess sich für feministische Anliegen engagiert, keine Befangenheit abgeleitet werden (BGE 118 Ia 282).
Lit. b normiert den Ausstandsgrund der Vorbefassung. Ein Justizbeamter kann dann befangen sein, wenn er in der gleichen Sache in anderer Stellung bereits tätig war. Die verschiedenen Funktionen, welche in lit. b erwähnt werden, sind lediglich exemplarisch und nicht abschliessend. Zu diesem Ausstandsgrund existiert eine reichhaltige und auch kasuistische Rechtsprechung. Demgemäss besteht etwa in folgenden Fällen eine unzulässige Vorbefassung:
- Richter war in derselben Sache vorher als Staatsanwalt tätig und nahm Untersuchungshandlungen vor (Schmid, Strafprozessrecht, 4. A., S. 44 f, Rz. 134 mit weiteren Beispielen)
- urteilender Sachrichter hat vorher über die Anklagezulassung entschieden (BGE 114 Ia 50)
- unzulässig ist generell die Personalunion von urteilendem und untersuchendem Richter (BGE 113 Ia 72 )
- Unvereinbarkeit der Funktion als Haftrichter mit der Funktion als Ankläger (Entscheid des EuGMR v. 23.10.1990, Jutta Huber gegen die Schweiz)
Keine generell unzulässige Vorbefassung liegt bei folgenden Konstellationen vor:
- Sachrichter, der in der gleichen Sache bereits als Haftrichter amtete (BGE 117 Ia 182)
- Revisionsrichter, der in der gleichen Sache bereits früher in der Sache entschied (BGE 113 Ia 62)
- Sachrichter, der nach Rückweisung durch die Rechtsmittelinstanz erneut urteilt (113 Ia 407)
- ebenfalls keine unzulässige Vorbefasstheit des Richters, der bereits früher bezüglich desselben Sachverhaltes ein Urteil gegen Mittäter fällte (BGE 115 Ia 34)
- der Referent, der vor der Hauptverhandlung einen schriftlichen Urteilsantrag ausarbeitete ist nicht vorbefasst (ZR 86 Nr. 87)
- auch nicht der Präsident eines Kollegialgerichtes, der nach einer ersten summarischen Sichtung dem betroffenen Beschwerdeführer den Rückzug des Rechtsmittels empfahl (SOG 2000 Nr. 31)
Lit. f: Nach konstanter Rechtsprechung braucht ein Richter oder sonstiger Justizbeamter, damit er wegen Befangenheit abgelehnt werden kann, nicht tatsächlich befangen zu sein. Es genügt, dass Umstände vorliegen, die den Anschein der Befangenheit und die Gefahr der Voreingenommenheit objektiv zu rechtfertigen vermögen (BGE 115 Ia 180). Nicht ausreichend ist das lediglich subjektive Empfinden einer Partei, der Beamte sei befangen. So ist bspw. einem Richter nicht verboten, sich in seiner Freizeit politisch zu betätigen und sich zu politischen Fragen engagiert zu äussern. Ein Richter ist jedoch dann befangen, wenn er sich im Vorfeld eines Prozesses zu einem konkreten Ereignis und deren Beurteilung äusserte, das er nachher zu beurteilen hatte (BGE 108 Ia 48).
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