Samstag, Juli 07, 2007

Auslieferung, Ausschaffung oder Entführung ?

In einem zur Publikation vorgesehenen Entscheid vom 22.6.2007 hatte sich das Bundesgericht im Rahmen einer Haftbeschwerde mit der heiklen Abgrenzung zu befassen, ob sich der Beschwerdeführer aufgrund einer ordentlichen Auslieferung, einer Ausschaffung oder gar einer völkerrechtswidrigen Entführung in der Schweiz in Untersuchungshaft befinde.

Dem Entscheid liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

"Nachdem sich der Beschwerdeführer im Jahre 2002 seiner Verhaftung durch Flucht entziehen konnte, wurde er mit internationalen Haftbefehlen der Staatsanwaltschaft vom 21. August 2002 und 16. Dezember 2005 zur Festnahme ausgeschrieben. Am 1. März 2006 sandte das Bundesamt für Justiz, Sektion Auslieferung, unter Vermittlung des schweizerischen Generalkonsulats Interpol Santo Domingo ein Schreiben. Darin führte das Bundesamt aus, es übermittle in der Beilage den Haftbefehl vom 16. Dezember 2005. Nach Mitteilung der Kantonspolizei Zürich wohne der Beschwerdeführer in Santo Domingo. Im Falle seiner Festnahme werde seine Auslieferung auf diplomatischem Weg verlangt werden. Beamte der Zürcher Kantonspolizei würden sich dann in die Dominikanische Republik begeben, um ihn zu übernehmen und mit dem Flugzeug in die Schweiz zurückzubegleiten. Das Bundesamt bat um umgehende Unterrichtung über die erzielten Ergebnisse. ... Am Morgen des 19. August 2006 holten Beamte von Interpol Santo Domingo den Beschwerdeführer aus dem dortigen Gefängnis ab. Sie brachten ihn zunächst in die Büros von Interpol Santo Domingo und dann mit einem Polizeifahrzeug zum Flughafen. Während eines Zwischenhalts bei einem Hotel in der Nähe des Flughafens stiessen die drei Beamten der Kantonspolizei Zürich mit einem weiteren Wagen hinzu. Die Fahrt zum Flughafen wurde mit zwei Fahrzeugen fortgesetzt. Am Flughafen angekommen, klärte der Einsatzleiter der Gruppe der Kantonspolizei Zürich den Beschwerdeführer über die Identität und Funktion der Gruppe auf. Er teilte dem Beschwerdeführer mit, er sei wegen gewerbsmässigen Betrugs ausgeschrieben, werde nun den schweizerischen Behörden übergeben und in die Schweiz zurückbegleitet. Die schweizerischen Beamten legten keinen Haftbefehl vor, brachten aber zum Ausdruck, dass der Beschwerdeführer sich mit der Übergabe im Gewahrsam der schweizerischen Polizei befinde. Der Beschwerdeführer wurde dann in Anwesenheit von Beamten der Polizei der Dominikanischen Republik zum Flugzeug geführt und über Madrid nach Zürich gebracht. Dabei war der sich kooperativ verhaltende Beschwerdeführer nicht gefesselt. Nach der Ankunft in Zürich am 21. August 2006 übergaben ihn die begleitenden Beamten am Flughafen an die Kantonspolizei Zürich, die ihm mitteilte, er sei nun verhaftet."

Die Problematik lag im Besonderen darin, dass die Behörden der Dominikanischen Republik den Schweizer Behörden mitteilten, der Beschwerdeführer werde ausgeschafft, da er sich illegal im Land befinde. Eine Auslieferung sei nicht möglich, da zwischen der Schweiz und der Dominikanischen Republik kein Auslieferungsvertrag vorliege. In diesem Umstand erblickte der Beschwerdeführer eine Umgehung des Auslieferungsrechts. Das Bundesgericht verneinte dies u.a. mit dem Hinweis auf das Urteil vom 12. Mai 2005 der grossen Kammer des EGMR i.S. Abdullah Öcalan gegen die Türkei.

Entscheidend war für das Bundesgericht der Umstand, dass die Schweiz ein offizielles Auslieferungsbegehren in Aussicht stellte. Dieses sei aber dann nicht möglich gewesen, weil die Dominikanische Republik sich auf das Fehlen eines Auslieferungsübereinkommens berief. Die Polizeibeamten des Kantons Zürich hätten sich in der Folge mit offizieller Bewilligung der Dominikanischen Republik dort befunden, um den Beschwerdeführer in Empfang zu nehmen. Dabei sei keinerlei List oder unrechtmässiger Zwang angewandt worden. Die Dominikanische Republik sei zur Ausschaffung des Beschwerdeführers befugt gewesen und habe dabei die dort geltenden Verfahrensbestimmungen eingehalten und auch kein Völkerrecht verletzt. Jedenfalls habe sich die Schweiz diesbezüglich in gutem Glauben befunden, resp. lasse sich das Gegenteil nicht nachweisen.

Eine kleine Besonderheit ist dem Entscheid im Kosten- und Entschädigungspunkt zu entnehmen: Obwohl der Beschwerdeführer unterlag, wurde der Kanton Zürich verpflichtet, ihm eine Parteientschädigung zu entrichten, da er aus berechtigtem Anlass Beschwerde erhoben habe. Der Entscheid des Haftrichters des Bezirks Zürich habe sich nämlich nicht in verfassungsmässig genügender Weise mit den äusserst komplexen und heiklen Fragen des Völkerrechts auseinandergesetzt. Das Bundesgericht hats nun nachgeholt: für CHF 3'000.00, zahlbar durch den Kanton Zürich. Profitieren können dafür nun wir alle, indem der Entscheid publiziert wird.

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