Donnerstag, Dezember 29, 2005

Der Fall Ackermann und seine Folgen

Unter diesem Titel ist in der heutigen Ausgabe des Tagesanzeigers ein Interview mit dem Zürcher Strafrechtsprofessor Daniel Jositsch nachzulesen. Jositsch vertritt die Auffassung, das Urteil des BGH vom 21.12.2005 im Mannesmann-Prozess habe auch Auswirkungen auf die Schweiz. Jositsch möchte die staatlichen Behörden dazu ermuntern, in Fällen von unverhältnismässigen Vergütungen an Manager Strafanzeige einzureichen, um so einen analogen Leitentscheid in der Schweiz zu erwirken. Gemäss Jositsch erfüllen Bonuszahlungen an Manager grundsätzlich den Straftatbestand der ungetreuen Geschäftsbesorgung (Art. 158 StGB), wenn sie ein vernünftiges Mass überschreiten und keine ausreichende von den Aktionären abgesegnete Regelung bestehe.

In der Tat sind die entsprechenden Rechtsgrundlagen in der Schweiz in etwa gleich wie in Deutschland, so dass das BGH-Urteil im Fall Mannesmann (die schriftliche Begründung steht noch aus) grundsätzlich auch für die Rechtspraxis in der Schweiz wegweisend sein kann.

Jositsch scheint jedoch die Auffassung zu vertreten, die Frage, ob Bonuszahlungen den Straftatbestand der ungetreuen Geschäftsbesorgung erfüllen, hänge primär davon ab, ob die Höhe dieser Zahlungen noch verhältnismässig sei. Damit führt er, ähnlich wie das Landgericht Düsseldorf im Falle Mannesmann, Wertungsfragen als Kriterium für die Strafbarkeit ein, was problematisch ist. Es kann nicht Aufgabe des Strafrichters sein, zu beurteilen, ab welcher Höhe Bonuszahlungen strafbar sein sollen. Das Kriterium der Höhe ist zu schwammig um als taugliches Abgrenzungsinstrument zwischen strafbarem und straflosem Verhalten zu dienen. Genauso wenig tauglich ist es, wenn man hiefür - wie es das Landgericht Düsseldorf getan hat - darauf abstellt, ob die Pflichtverletzung schwer genug ist, um den Tatbestand der Untreue zu erfüllen.

Der BGH hat sich in seiner mündlichen Urteilseröffnung eigentlich kar ausgedrückt. Strafbar macht sich ein Organ einer AG, wenn es finanzielle Zuwendungen ausspricht, welche nicht im Interesse der Unternehmung liegen. Das war gemäss BGH im Falle Mannesmann genau der Fall, da die begünstigten Manager bereits vertraglich für ihre Leistungen (inkl. vertraglicher Boni) vergütet wurden und eine darüberhinaus nach bereits erbrachter Leistung ausgesprochene Vergütung an ausscheidende Manager grundsätzlich gar nicht mehr im Nutzen der Firma sein kann. Dies hat übrigens auch die Vorinstanz, das Landgericht Düsseldorf, bejaht, jedoch dann festgestellt, die Pflichtverletzung wiege nicht schwer genug, um den Tatbestand der Untreue zu erfüllen.

Das BGH-Urteil gilt im Grundsatz tatsächlich auch für die schweizerische Rechtspraxis. Gemäss Art. 158 StGB macht sich strafbar, wer seine Pflichten im Rahmen der Verwaltung fremden Vermögens verletzt und dadurch den Vermögensherrn schädigt. Art. 717 OR verpflichtet die Organe einer AG, bei ihren Entscheiden stets das Interesse der Gesellschaft zu wahren. Somit sind auch nach schweizer Recht Bonuszahlungen an Manager immer dann grundsätzlich strafbar, wenn sie nicht im Interesse der Gesellschaft liegen.

Im Interesse der Gesellschaft dürften Bonuszahlungen grundsätzlich dann nicht mehr liegen, wenn sie im nachhinein an ausscheidende Manager ohne vorgängige vertragliche Grundlage gewährt werden. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass solche Zahlungen vom formell zuständigen Organ beschlossen werden. Denn die ausführenden Organe sind, wie der BGH zu Recht in aller Deutlichkeit fesgestellt hat, nur Verwalter fremden Gutes und nicht Gutsherren, welche über eigenes Vermögen verfügen.

1 Comments:

Blogger kj said...

Unter Art. 158 StGB lässt sich ja so Manches subsumieren, möglicherweise sogar eine Verletzung der Sorgfalts- und Treuepflicht nach Art. 717 OR. Die Tendenz, jede Verfehlung - welcher Art auch immer - zu kriminalisieren, erscheint mir aber als völlig verfehlt. Das effizientere und rechtspolitisch klügere Mittel, um einen Schaden auszugleichen, ist doch das Zivilrecht, auch wenn der Weg etwa über Art.754 OR vielleicht noch zu dornenreich ist. Ich pflichte daher ausnahmsweise der Meinung eines in dieser Frage einsamen Politikers bei (Koch, FAZ).

1:12 AM  

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