Dienstag, Dezember 20, 2005

Kind als Schaden

In einem heute nach öffentlicher Beratung gefällten Urteil (4C.178/2005) entschied das Bundesgericht, dass der für eine fehlerhaft ausgeführte Sterilisation verantwortliche Arzt im Falle einer späteren Geburt grundsätzlich schadenersatzpflichtig wird (s. NZZ von heute:http://www.nzz.ch/2005/12/20/il/newzzEHG5Q5LM-12.html).

Zur Beurteilung stand der Fall einer Walliser Familie. Die Frau hatte den Arzt im Rahmen der Entbindung des zweiten Kindes beauftragt, eine Sterilisation vorzunehmen, was jedoch dann vergessen ging. 1997 wurde die Frau ungewollt schwanger. Im Januar 1998 gebar sie ihr Kind. In der Folge verklagte sie das Spital auf Schadenersatz. Das Walliser Kantonsgericht sprach ihr insgesamt CHF 140'000.00 Schadenersatz zu, davon 85'000.00 als Ersatz für den Unterhalt des Kindes.

Die I. Zivilabteilung des Bundesgerichts hat nun die vom Spital erhobene Berufung einstimmig abgewiesen. Laut den Richtern ist der Frau durch die unsorgfältige Ausführung des dem Arzt erteilten Auftrages (welcher die Sterilisation beinhaltete) ein Schaden entstanden, der in der unfreiwilligen Verminderung des Vermögens in Form des aufzuwendenden Unterhalts liege.

Damit hat das Bundesgericht erstmals die im Haftpflichtrecht schon lange heftig diskutierte und von ethischen Überlegungen überlagerte Frage, ob die ungewollte Geburt eines Kindes überhaupt einen Schaden darstellen könne, grundsätzlich beantwortet. Man darf gespannt sein auf die schriftliche Urteilsbegründung.

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