Samstag, Dezember 03, 2005

Erneute Kritik an Solothurner Staatsanwaltschaft

Die Solothurner Zeitung erhebt in ihrer Ausgabe von heute Samstag erneut massive Kritik an der Solothurner Staatsanwaltschaft. Grund dieser neuesten Kritik ist das Vorgehen der Staatsanwaltschaft im Rahmen eines Strafverfahrens gegen Michael John, Verwaltungsrat der Firma PPal. Dem zuständigen Staatsanwalt wird vorgworfen, in einem Schreiben an Aktionäre der Firma PPal diesen Informationen über das Strafverfahren bekannt gegeben zu haben, während zu dieser Zeit weder der Beschuldigte, der sich in Haft befand, noch dessen Verteidiger auch nur ein einziges Dokument der Akten zu Gesicht bekommen habe. Dieses Vorgehen wird denn auch vom Freiburger Strafrechtsprofessor Franz Riklin als fragwürdig und unorthodox bezeichnet. Er sehe keine rechtliche Grundlage für die Information der Aktionäre durch die Staatsanwaltschaft. Die Kritik der Solothurner Zeitung gipfelt im Vorhalt, das weiterleiten von Informationen aus einer laufenden Strafuntersuchung sei in der Regel strafbar.

Die massive Kritik der Solothurner Zeitung erstaunt in mehrfacher Hinsicht. Hätte sich die Zeitung die Mühe genommen, einen Blick in die neue Solothurner Strafprozessordnung http://www.so.ch/extappl/bgs/daten/321/1.pdf zu werfen, hätte sie beispielsweise bemerkt, dass der Vorwurf, dem sich in Haft befindenden Beschuldigten und dessen Verteidiger sei die Akteneinsicht verweigert worden, gar nicht zutreffen kann. Die StPO des Kantons Solothurn regelt das Haftverfahren im Wesentlichen in den Paragraphen 44 und 45. So lautet etwa § 44 Abs. 2: "Bestätigen sich der Tatverdacht und die Haftgründe, so stellt der Staatsanwalt unverzüglich den kurz begründeten Haftbefehl aus und beantragt unter Beilage der erheblichen Akten spätestens innert 48 Stunden seit der Festnahme beim Haftrichter die Anordnung der Untersuchungshaft". In § 45 Abs. 3 heisst es: "Der Haftrichter gewährt dem Beschuldigten und der Verteidigung auf Verlangen vorgängig Einsicht in die ihm vorliegenden Akten." Analog ist das Verfahren im Falle eines Gesuchs des Beschuldigten um Haftentlassung. Auch in diesem Fall hat der Staatsanwalt dem Haftrichter wiederum die Akten einzureichen und dieser gewährt dem Beschuldigten oder dessen Verteidiger auf Verlangen Einsicht in die Akten. Wie kann es also sein, dass weder der Beschuldigte noch dessen Verteidiger je ein Dokument aus den Akten gesehen hat, wenn doch in diesem Fall schon mehrere Verfahren vor dem Haftrichter stattgefunden haben ? Dafür könnte es nur zwei Gründe geben. 1. Der Haftrichter hätte die Akteneinsicht verweigert, was kaum anzunehmen ist, hat doch das Bundesgericht bereits in einem früheren Solothurner Fall (1P.730/2000, s. http://www.bger.ch/index/juridiction/jurisdiction-inherit-template/jurisdiction-recht/jurisdiction-recht-urteile2000.htm) unmissverständlich entschieden, dass der inhaftierte Beschuldigte resp. dessen Verteidiger im Haftverfahren volle Einsicht in alle dem Haftgericht vorliegenden Akten haben muss. 2. Der Beschuldigte resp. dessen Verteidiger haben gar keine Akteneinsicht verlangt, was auch wiederum sehr erstaunlich wäre.

Hätte die Solothurner Zeitung sich die Mühe genommen, die StPO des Kantons Solothurn etwas genauer anzuschauen, so wäre sie auch unschwer auf die rechtliche Grundlage für die Information der Aktionäre gestossen. Aufgrund des von der Solothurner Zeitung geschilderten Sachverhalts ist doch davon auszugehen, dass es sich bei den Aktionären der PPal, wenn die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft zutreffen, um Verletzte handelt. Aus den §§ 6, 14 und 30 der Solothurner StPO kann entnommen werden, dass die Verletzten durchaus gewisse Parteirechte haben und bezüglich Information über das Strafverfahren anders zu behandeln sind als die übrige Öffentlichkeit. Gemäss § 30 kann selbst einem Dritten Einsicht in die Akten gewährt oder Informationen über ein Strafverfahren erteilt werden, wenn er berechtigte Interessen geltend machen kann, was bei den Aktionären der PPal sicherlich der Fall ist. Dem Bericht der Solothurner Zeitung kann schliesslich entnommen werden, dass sich die Staatsanwaltschaft nicht von sich aus an die Aktionäre gewendet hat, sondern lediglich eine Anfrage dieser (potentiell Geschädigten) beantwortet hat.

1 Comments:

Blogger kj said...

Nicht einverstanden bin ich mit der rechtlichen Grundlage für die Information der Aktionäre. Zunächst ist § 30 StPO nicht einschlägig. Diese Bestimmung ist auf die Rechte der Öffentlichkeit und von Dritten gerichtet, die nicht Partei sind.

Wer Partei sein kann, regelt die StPO in §§ 6 und 14. Ein Verlertzter wird aber selbstverständlich niemals Partei in einem Strafverfahren, nur indem er die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt. Parteistellung erlangt er immer nur, wenn er sich als Partei konstituiert. In diesem Punkt halte ich es mit Riklin und erachte die Information der Aktionäre, soweit sie sich nicht als Partei konstituiert haben, als illegal. Ob sie auch strafbar ist, werden andere beurteilen können.

11:53 PM  

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