Freitag, März 23, 2007

politische Staatsanwälte und religiöse Richterinnen

In den letzten Tagen wurden gleich zwei Fälle von beeinflussten Vertretern der Justiz bekannt. Solche Vorfälle sollten jeden rechtsstaatlich denkenden Blogger, dazu zählt sich auch Labeo, zutiefst beunruhigen. Worum gehts ?

Der erste Fall betrifft halt (so leid es mir tut) wieder mal unsere fernwestlichen Nachbarn: In den USA bahnt sich eine zunehmend heftigere Auseinandersetzung zwischen dem Präsidenten und dem Parlament an, nachdem ruchbar wurde, dass die Regierung auf einen Schlag 10 % der Bundestaatsanwälte entlassen hat. Eine gute Darstellung dieser Causa lässt sich dem nachstehenden Bericht in der Online-Ausgabe von 20minuten entnehmen. Wie gestern zudem bekannt wurde, soll sich unter den entlassenen Bundesstaatsanwälten eine befinden, welche die Anklage der noch unter Bill Clinton von der Regierung eingeleiteten Klage gegen die Tabakindustrie vertreten hat. Gemäss ihren eigenen Aussagen soll sie vom Justizministerium dazu genötigt worden sein, die Geldstrafe gegen die Tabakindustrie massiv zu reduzieren. Sogar das Plädoyer sei ihr von Beamten des Justizministeriums geschrieben worden.

Über den zweiten Fall berichtet heute u.a. der Tagesanzeiger. Es geht um eine Frankfurter Richterin, die eine vorzeitige Scheidungsklage einer 26-jährigen Deutschen marokkanischer Abstammung gegen ihren 2 Jahre älteren marokkanischen Gatten mit Berufung auf den Koran abgelehnt hatte. Die Frau begründete ihre Klage damit, sie werde vom Ehemann geschlagen. Die Richterin kam zum Schluss: "Die Ausübung des Züchtigungsrechts begründet keine unzumutbare Härte gemäss Paragraph 1565 BGB" (diese Bestimmung ermöglicht eine Scheidung vor Ablauf des Trennungsjahres). Was schliesslich die Volksseele in Deutschland zu Recht zum kochen brachte, war der in diesem Zusammenhang von der Richterin gemachte Verweis auf den Koran, Sure 4, Vers 34: "Die Männer stehen über den Frauen, weil Gott sie ausgezeichnet hat, ... und wenn ihr fürchtet, dass Frauen sich auflehnen, dann ermahnt sie, meidet sie im Ehebett und schlagt sie".

Was beiden Fällen gemein ist, ist der Umstand, dass Angehörige der Justiz sich von sachfremden Einflüssen leiten liessen. Im ersten Fall waren diese politischer Natur und im zweiten religiöser. Schlimm sind beide Fälle. Die Justiz als unabhängige Gewalt sollte nur der Verfassung und dem Gesetz verpflichtet sein und sich weder von politischen Opportunitäten noch von religiösen Forderungen beeinflussen lassen.

Beide Fälle sind durchaus keine Einzelfälle und kommen auch in der Schweiz vor. Auch in der Schweiz wurden Versuche der politischen Einflussnahme auf Staatsanwälte oder Untersuchungsrichter bekannt. Man kann sich hier noch die durchaus berechtigte Frage stellen, ob Staatsanwälte überhaupt der Justiz angehören. Oft sind sie den politischen Behörden und nicht den Gerichten unterstellt und folglich bei der Exekutive angesiedelt. Dies braucht nicht unbedingt falsch zu sein. Wichtig erscheint jedoch die gesetzliche Verankerung der materiellen Unabhängigkeit des Staatsanwaltes, wie es etwa Art. 4 Abs. 1 der Vorlage zur Bundesstrafprozessordnung vorsieht, wo es heisst: "Die Strafbehörden sind in der Rechtsanwendung unabhängig und allein Recht und Gerechtigkeit verpflichtet".

Auch was die Einflussnahme religiöser Tendenzen auf die Rechtsprechung anbelangt, kommt es immer wieder vor, dass religiöse Sitten oder Gebote in die Urteilsfindung einfliessen, wenn es etwa um die Strafzumessung bei einem Beschuldigten, welcher einer bestimmten Religionsgemeinschaft angehört, geht. Vor solcherlei Tendenzen kann nicht geug gewarnt werden. In einer Demokratie ist jeder Staatsbürger in gleicher Art und Weise der Verfassung und dem Gesetz unterworfen, egal ob dieses nun mit seiner religiösen Überzeugung korrespondiert oder nicht.

1 Comments:

Blogger kj said...

Letzteres trifft angesichts des gewaltigen Arsenals an Zwangsmassnahmen in besonderem Masse auch auf Staatsanwälte und Untersuchungsrichter zu, welche nach allen modernen Prozessordnungen der Exekutive angehören. Um den demokratisch dringend erforderlichen "checks und balances" nur ansatzweise Rechnung zu tragen, ist eine politische Kontrolle dieser Machtträger extrem wichtig. Dies gilt umso mehr, als illegal angeordnete oder vollzogene Zwangsmassnahmen keiner wirksamen gerichtlichen Kontrolle unterliegen und dass in der schweiz. Rechtspraxis auch keine ernstzunehmenden Beweisverwertungsverbote greifen.

Was bleibt ist die politische Führung und Kontrolle der Strafverfolger. Streng zu beachten ist dabei nur, dass keine Einmischung in einzelne Dossiers erfolgt.

Was die Entlassungen in den USA betrifft, empfehle ich den Law Blog des Wall Street Journal.

12:37 AM  

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